8/15: Warum eine rigide Feder besser ist ...

Ob man das obige Statement ernst nimmt oder nicht, hängt von den Begleitumständen ab. Und um die soll es zunächst aus historischer Sicht gehen.


Ursprünglich versuchten die neuen Füllfederhalter im 19. Jahrhundert bis Anfang der 1920er Jahre das Schreibgefühl der klassischen Federhalter aus Gold und Stahl nachahmen. Und die hatten und haben Elastizität. Was immer das auch sein mag. So müßte man heute sagen, wo vielfach Flexibilität, Elastizität, "Springiness" und "Softness" durcheindergehen. 


Daher haben Federn dieser Zeit, meist Goldfedern, die heute so gerühmte Flexibilität, wie ich die Eigenschaften nennen möchte. Goldfeder, weil die hochwertigen Federn mit einer Platinmetall-Punktspitze sich gegen die sauren Tinten der Zeit wehren mußten. Und das war mit den korrosionsresistenteren Goldfedern besser möglich. Nur Gold verbat sich auch, wenn es nutze sich zu sehr ab. Daraus wurde vielfach auch in der Zeitzeit abgeleitet, daß eine Gold- und Stahlfeder durch deren geringe oder fehlende Elastizität doch vergleichbar seien. Die Punktspitze sei doch das Qualitätskriterium. Darauf kommen wir noch zu sprechen.


Nun kommen wir in den USA Anfang der 1920er Jahre an. Zwei Marken traten an, die Füllhalterwelt durcheinander zu bringen. Und es begann mit Farbe. Parker brachte das übergroße Modell Duofold in Orange ("Big Red Duofold") und Sheaffer die Celluloid-Halter. Und es kamen auch die erweiterten Qualitätsversprechen: 25 Jahre Federgarantie usw. Den Herstellern war klar, daß man dazu bevorzugt eine rigide Feder bräuchte, die den Belastungen besser standhalten konnte. Seither sind beide Marken für rigide Federn bekannt. Damals nicht so sehr, aber heute sind umgekehrt die flexiblen Federn von Waterman (allen voran), von Conklin oder Wahl-Eversharp, aber auch von Swan (Mabie-Todd) oder Onoto gesucht und gegehrt. Gerade die konservativen Produkte sollten aber zunehmend zurückgedrängt werden.


Der zweite Schlag kam aus einem ganz anderen Grunde: Der Parker "51" von 1941 sollte eine schnelltrocknende Tinte ermöglichen. Und das erforderte eine verdeckte Feder, damit die Tinte nicht so rasch an der freien Feder trocknen konnte. Diese röhrenförmigen Federn sollten für Jahrzehnte die Richtung vorgeben: kleine rigide Federn. Den Kunden gefiel diese Entwicklung. Aber es wurden immer weniger. Je mehr der Kugel Marktanteile gewann und den Füllhalter altertümlich und unpraktisch erscheinen ließ, desto mehr gewöhnte man sich nicht nur in den USA an die steifen Federn.


Spätestens seit den 90er Jahren entschwindet die Restelastizität guter Federn, die nicht immer Goldfedern sein müssen. Marken wie Pelikan oder Montblanc, aber auch Parker hatten viele Jahre ein großes Federprogramm (auch bei den Stahlfedern), die Elastiziät verschwand. Noch 1993 bewarb man den neuen Parker Sonnet mit seiner elastischen Feder ("the Writer´s Pen"). Pelikan-Federn der wieder auferstandenen Kolbenfüller-Serie (200er und Souveräne) bekamen mit der Zeit ridige Federn. Jeder, der einem 14-K-M800 hat, weiß wovon ich rede. Die Kunden sind besser damit bedient und wir haben nicht die verbogenen Federn in der Reklamation, hörte ich aus erster Hand.


Heute haben wir mehrere Trends, die scheinbar alle richtig zu sein scheinen. Es kommt nur auf den Blickwinkel an! Große Auswahl an Federn oder nur noch F/M/B (weil es die hauptsächlichen Verläufe sind) oder sogenannte Schönschreibfedern wie Stubs und Italics auch elastische Federn im Repertoire, teils auch als eigenständige Modelle (wie Pilot Falcon). Das ist die Frage. 


Was sicherlich falsch ist, und da komme ich jetzt auf die Überschrift: Wenn man flexible Federn haben möchte, dann muß man sehen, worauf man sich einläßt. 


Rigide Federn kann man sehr "soft" schleifen. Wenn man die Federschenkel richtig ausarbeitet, und dazu genügt meist keine Massenfertigungs-Stahlfeder, kann man einen schönen TIntenfluß bei leichter Federführung erreichen, ganz gleich, ob die Feder steil oder flach geführt wird. Selbst bei feinen und bisweilen auch bei sehr feinen Federn wird ein erstaunlicher Schreibkomfort erzielt. Auch müssen Federn nicht zwingend knubbelig und unförmig breit sein, wie es leider in Europa häufiger vorkommt. Das Minimum ist somit, daß die Federbreiten F/M/B im wesentlichen stimmen. Eine Ausweitung nach EF und BB, wenn typische Schreibziele (sehr fein oder breit, aber ausreichend konturiert und sicher anschreibend und nicht nur dicklich-plakativ) nicht erreicht werden, bringt dann nichts. Eine BB muß man auch richtig einsetzen. Es kann nicht eine Filzstiftfeder sein, traditionell ist das eine breite Stub.


Angeschrägte Federn hatten früher einen guten Kundenkreis – gerade in Deutschland. Man muß aber wissen, wie diese Federn geschliffen sein sollten. Das muß eine Stub oder gemäßigte Italic sein. Früher wußten die Hersteller dies. Heute beklagen sie sich, daß diese Federn wenige wollen und nehmen sie aus dem Programm. Federn, die teils überhaupt keine speziellen Schreibcharakteristika haben. 


Die Anbieter der geraden Bandzugsfedern wie Stub oder Italic liegen schon richtig. Gerade in den USA muß ein Produzent das im Angebot haben, auch wenn Federn meist zugekauft sind und von deutschen Zulieferen stammen. Zudem sind dies meist aus preislichen Überlegungen bevorzugt Stahlfedern mit Goldfeder-Option. Diese Federn kommen gut an. Auch italienische Firmen sehen das so. 

Und nun der Schwenk zu eigentlichen Thema? Ja, die elastischen, soften, flexiblen? Elastisch sind die alten Federn, die einen feinen Strich erzeugen, wie man dies von alten Urkunden kennt. Auf Druck nehmen Strichfarbe und Strichbreite zu. Der souveräne Hartgummi-Tintenleiter und die exakte Justage des Tintenleiters (evtl. mit Anwärmen des Aggregates als zusätzliche Verbindung) erlauben eine immense (künstlerische) Schreibvariation. Solche Federn gibt es nicht mehr.


Softe Federn gibt es von japanischen Herstellern, allen voran von Pilot und auch von Platinum. Sie erlauben eine gewisse Elastizität und Stichvariation. Das sind keine flexible Federn. Die FA-Federn ("Falcon") von Pilot haben nicht die extreme Souveranität im Tintenfluß aufgrund der modernen Tintenleiter und sie sind auch nicht so feinfühlig. Die Federspitzen sind recht rauh und das Schreibgefühl auch entsprechend gar nicht so soft. Sie brauchen auch eine exakte Führung. Die soften Varianten von Pilot und Platinum sind gemäßigt, die Platinum sind eher schmaler und die Pilot etwas breiter als ihre rigiden Pendants. Bei manchen Serien kann man z. B. SF, SFM und SM neben den rigiden kaufen. Das Gefühl, mit einer Goldfeder zu schreiben, entsteht mehr als bei den rigigen Varianten, die in Japan eher schärfer angeschliffen werden. Auch OMAS bietet nun wieder in einigen Modellen die "Flessibile"-Federn alternativ an. 


Und dann gibt es die besonderen Montblanc-Flügelfedern der 50er und 60er, die sehr viel Exaktheit und Robustheit mit einem schingenden und elastischen Verhalten kombinieren - und zudem sehr gute Tintenleiter haben. 


Und was folgt daraus? Die meisten Füllhalterfreunde fahren mit gut geschliffenen Federn in rigider Variante an besten, sei es EF/F/FM/M/B oder als Bandzugfeder. Wer eine schwingende Feder möchte, besorge sich einen Montblanc 14 aus den 60ern. 


Moderne elastische Federn, wie sie japanische oder italienische Anbieter haben, erfordern mehr Geschick und Aufmerksamkeit. Gemäßigte teilelastische Federn, wie sie in den 50ern noch zuhauf vorkamen (Pelikan 400/400NN, Montblancs), könnten eine Alternative sein.


Moderne Bandzugfedern (Italics und Stubs) ermöglichen ein attraktives Schriftbild, schade, daß die Oblique-Varianten in der korrekten Schliff-Form auszusterben drohen, obwohl sie bei entsprechender Schreibhaltund so angenehm sind.  


Also: Wartet nicht so sehr auf gute und elastische Federn oder ärgert euch mit kratzigen oder aussetzenden teilelastischen (echte flexible gibt es eh nicht mehr) und schaut nach den alten Modellen. Rigide Federn sind praktischer und besser als ihr Ruf, auch ein Sheaffer PFM hat exzellente Federn, die ebenso rigide sind. 


Von Erasmus, 3/2016
Von Erasmus, 3/2016

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Kommentare: 4
  • #1

    Erasmus (Montag, 07 März 2016 18:23)

    Meine Erfahrungen:
    Ich weiß gar nicht was eine echte flexible Feder überhaupt ist...
    Die flexibelste Feder, die ich habe steckt einem Montblanc 344 (OB), danach kommt der Pelikan M1000. Breide tun sich nicht sehr viel, geben unter Druck einen superfetten Strich und werden als lediglich "Semi-Flex" beschrieben. Jetzt frage ich mich, wie "richtiger" Flex aussieht.
    Das schöne ist, man muss die genannten Füller nicht mit Druck benutzen, aber das Schreibgefühl ist wirklich toll. Den beschriebenen Flex benötige ich eigentlich gar nicht, ich finde ihn sogar überbewertet (aber das bin wohl nur ich). Die Flexibilität der Federn macht sich aber halt sehr positiv beim normalen schreiben bemerkbar.
    In meiner persönlichen Abfolge kommen danach die älteren Montblancs a la Klassik oder Noblesse/Slimline. Sie sind recht biegsam ohne sich zu spreitzen. Für das Gute Gefühl beim Schreiben aber immer noch toll genug.
    Erneut einen Rückschritt bilden für mich die modernen Montblancs und in stärkerem Maße die heutigen Souveräne. Das ändert aber nichts daran, dass ich mit den heutigen Meisterstücken trotzdem sehr gut schreiben kann, da sie u.a. dick genug sind und sonst gut in der Hand liegen. Und etwas haben sie, was ich bislang nur von MBs kenne: oblique Federn mit nicht überbordender aber signifikanter Strichbreitenvariation. Ich liebe oblique Federn! Seltsamerweise kann ich die Stifte halten wie ich will, ich bekomme immer etwas zu Papier gebracht.
    Japanische Füller sind dagegen eine herbe Enttäuschung, amerikanische (ausser einem ollen Parker-Schulfüller) habe ich nicht. Ich verstehe auch ehrlich gesagt nicht, was an italienischen Füllern so toll sein soll. Ich habe mir einen Delta Gallery zugelegt (extrem günstig gebraucht), aber so etwas von einem Nagel habe ich selten gesehen.... Die teureren Viscontis sind ja auch nicht viel billiger als MBs aber machen mir nur halb so viel Spaß. Einen der besagten Japaner (breite Feder, die auch europäisch breit war) und einen Visconti habe ich zum Umschliff in etwas obliques bzw. "stbubbiges" weggegeben... Nun sind sie ganz brauchbar.
    Summa summarum: ich stehe auf Strichbreitenvariation ohne Druck, aber ein wenig Flexibilität kann nicht schaden wegen des generell schöneren Schreibgefühls, das eine elastisch(ere) Feder nunmal mitbringt. Nägel machen mir keinen Spaß.
    Grüße
    Erasmus

  • #2

    pens-and-freaks (Montag, 07 März 2016 20:32)

    Danke, Erasmus, für Deinen Kommentar.

    Diese persönlichen Eindrücke sind doch das Salz in der Suppe.

    Auch ich mag die Obliquen sehr. Eine Zeit lang, so vor ca. 10-15 Jahren habe ich praktisch nur solche Federn gekauft. Damals waren sie aber auch im Programm von Pelikan, Cross, Parker (auch Stahlfedern), Sheaffer oder den Italienern. Allerdings gab es schon zu der Zeit sehr unterschiedliche Vorstellungen von den Schliff-Formen. Angeschrägte Kugelfedern, wie sie z. B. Lamy oder Pelikan bevorzugten, haben mir nie etwas gesagt. Es muß schon eine gewisse Strichvariation sein, was wiederum das Schriftbild lebendiger macht. Gerade Parker oder Sheaffer verstanden darunter angeschrägte Italics (wie man heute sagen würde). Eine Stub oder Italic ist meist schwieriger zu führen. Wer die Feder schräg ansetzen und ziehen kann, hat möglicherweise den Dreh ´raus. Bei alten Federn, gerade aus Deutschland, gab es früher wunderbare Obliques, so von Montblanc oder auch im Pelikan P1 (während ich die 400er-Federn nie so beeindruckend fand bei den „OBs“). Solche Federn dürfen keine weichen Federschenkel haben, allenfalls federn dürfen sie. Sonst verkanten sich die Federschenkel gerne, es knackt oder die Tinte setzt aus. Montblanc Meisterstück 14 und 12 haben sehr oft diese federnden und dennoch konturierten Federn (Flügelfeder). Die Pelikan M1000 haben keine elastischen, sondern weiche Federn.

    Das Merkmal für die früheren Flexiblen liegt an der erreichbaren Strichstärke unter Druck und der Zunahme des Tintenflusses und somit auch der Tintenfarbe (Schattierung). Das sind klassischerweise feine bis sehr feine Federn, die ein kalligraphisches Schriftbild möglich machen.

    Auch heute gibt es Teilelastische, aber das gewisse Etwas erfordert eine spezielle Walzung und Gestaltung der Federn, um diese Elastizität zu erreichen. Und der Tintenleiter muß das schaffen. Das ist heute sehr schwierig, weil moderne Tintenleiter da schnell überfordert sind oder die Abstimmung von Feder und Leiter nicht so recht funktionieren. So ist es z. B. bei den Pilot-Federn („FA“, „Falcon“).

    Solche Federn waren und sind allerdings auch schärfer geschliffen, was durchaus gewöhnungsbedürftig ist. Bei den Japanern kann man das sehen. Da sind die rigiden Federn oft leichter zu handhaben. Es kann aber auch sehr vom Einzelstück abhängen, weil selbst die Japaner, die ich persönlich sehr mag, die Federn nicht eine wie die andere fertigen können. Gewisse Unterschiede gibt es da schon.

    Die Italiener wie Visconti haben schon interessante Federn, z. B. die Palladium-„Dreamtouch“-Federn. Ich habe schon besonders gut gesehen. In der Tendenz sind sie aber sehr sehr saftig. Die OMAS-Federn mit ihren Ebonit-Tintenleitern sind bei großen Fertigungsschwankungen schon etwas anderes als eine typische Pelikan-M800-Feder. Und das, obwohl diese beiden Firmen bei Bock fertigen lassen. Die Federn haben aber einen eigenen Charakter. Den haben auch die eigenartigen (rigiden) Fusion-Federn bei Delta, die ich im Alltag außerordentlich mag. Man sollte sie z. B. auf einer Schreibgerätebörse einmal ausprobieren.

    Um nochmals auf die Schrägfedern zurückzukommen: Es ist schade, daß es sie immer seltener gibt. Ich meine natürlich die „Echten“, nicht die angeschrägten Kugelfedern à la Pelikan oder Lamy.

    Es gäbe da noch viel zu berichten. Ich will es zunächst einmal damit bewenden.

    Viele Grüße und nochmals Dank an Dich, Erasmus!

    Thomas

  • #3

    Erasmus (Dienstag, 08 März 2016 16:34)

    Hallo Thomas
    Eine kleine Replik hätte ich da zu machen. Und zwar bezüglich der von Dir angeführten Lamys: ich habe das glaube ich schon einmal kund getan (und eine Schriftprobe gibt es auch hier auf Deinem Blog), die beiden Lamy 2000 - einer in OM, der andere in OB, zeigen sehr wohl Strichbreitenvariation. Und zwar sehr vergleichbar den modernen Meisterstücken.
    Die Federspitzen der besagten Füller sind in der Tat sehr unterschiedlich geformt. Während die MBs eher flach sind, dind die der Lamys eher "knubbelig", von mir aus kugelig.
    Ich schicke gleich mal ein Bild mit, dass ich eben schnell mit nem Mobilphon gemacht habe, dass die Strichbreiten dokumentiert.
    Schöenen Gruß!
    Erasmus

  • #4

    Erasmus (Dienstag, 08 März 2016 16:55)

    Ich wollte auch nichts gegen italientische Füller sagen. Die Dreamtouch-Federn kommen klar an die des M1000 heran. Oblique Federn bekomme ich m.W.n. nicht von Visconti, nur Stubs ab 1.1mm, und die sind mir schon wieder zu breit.
    Was mich an zwei der drei italienischen Füller stört ist ihre Verarbeitungsqualität, die trotz des nicht gerade geringen Preises besser sein könnte (leicht schräge Clips, leicht wellige Oberfläche). Die Souveräne, die M2000 (letztere sind allerdings auch nicht gerade reich an "Features") und MBs sind meiner Meinung nach besser verarbeitet. Bei keinem einzigen Füller der genannten Firmen hatte ich je etwas zu beanstanden.
    Naja, das paßt nicht unbedingt zum Thema... Und ich gebe es zu, wenn es um Füller geht bin ich ein absoluter Montblanc Fanboy (wie das heutzutage heißt) - aber nur was Füller angeht, denn sonst hege ich wenig Sympathie für diesen Laden...