Montblanc Meisterstück

No. 146, 70er-Jahre

Diesen 146er habe ich auf der PenShow in Nürnberg 2015 erworben. Der Halter war NOS, wie es die Angelsachsen nennen (New Old Stock, also unbenutzte Altware). Der Montblanc ist in absolut neuwertigem Zustand und hat eine 14-K-Goldfeder.

 

Der 146 stellt die "Herrengröße" der Meisterstücke dar und kam 1973 zurück. Das ist er:


Zur Vorgeschichte: Der 146 und der kleinere 144 kamen 1948, der nochmals kleinere 1950 als Celluloid-Halter in den Handel. 1952 folgte dann der große 149er. Wir wollen hier nur vom Herrenformat 146 sprechen "für die Hand des Herren in verantwortungsvoller Stellung", wie es in der Werbung der 50er hieß. 


Diese erste Serie (Bicolor-14 K-Goldfeder, Celluloid, Teleskop-Mechanik mit Messing) lief von 1948-1960. Nach einem wenig bekannten und einem bekannterem Übergangsmodell (144) folgte dann bis 1970 der Meisterstück 14 und 12 mit Varianten (sogenanntes "Kardinalshut"-Meisterstück) aus Duropast-Kunststoff und der teilverdeckten 18-K-Flügel-Goldfeder. Das wäre somit die zweite Serie, wenn man so will.


1973 kam dann der 146 in seiner Zigarrenform aus Duroplast zurück. Er untercheidet sich vom heutigen 146 durch einige Dinge, die ihn auch zeitlich teils gut eingrenzen. Das ist somit die dritte Serie. 


Die vierte Serie kam dann um 1990 mit der wunderschön ziselierten 14-K-Goldfeder mit Platinmaske, dem strichförmigen Tintenstand und der Messing-tragenden Kolbenmechanik. Seither tragen die 146er auch erst eine individuelle Fertigungsnummer. Das führt ja manchmal zu Irritationen bei den älteren Modellen. Bis auf Detailänderungen an der Inschrift des Kappenrings und in der Corpus-Länge (Anpassung an den 147er) gibt es Verbesserungen am Tintenleiter, die Ende der 90er vorgenommen wurden. Leider haben die 146er seither kein Ebonit-Tintenleiter mehr. 


Zurück zur von mir so genannten dritten Serie 1973 bis ca. 1990. Wir haben hier als wesentliche Merkmale:

  • Tintenstandskontrolle zunächst blau-transparent, gegen Ende der 70er grau transparent
  • 14-K-Goldfeder ohne Platinmaske mit Inschrift 14C bis Ende der 70er, dann 14K. Daran kann man also recht gut die 70er-Jahre-Modelle erkennen. 
  • Duroplast-Spritzkunststoff-Gehäuse
  • Kunststoff-Kolbenfüllsystem. Diese 146er sind daher ca. 2 g leichter und fühlen sich doch recht deutlich "leichter" an als die erste und die vierte Serie. 
  • Keine individuelle Seriennummer
  • Am Clip Germany, gegen Ende der 80er W. Germany. Meiner trägt keine Inschrift.
  • Volles Federprogramm von EF, F, M, B über OM, OB, OBB zu OBBB (!)
  • Ebonit-Tintenleiter in im Verlauf drei Versionen

 

Was gibt uns heute diese Serie, die auf den ersten Blick weniger attraktiv erscheint als die Modelle seit Anfang der 90er. Zunächst der Ebonit-Tintenleiter. Er ist ohne Frage von prinzipiellen Vorteil bzgl. Tintenfluß. Die Federn waren deutlich elastischer und das Schreibkorn weniger knubbelig. 

 

Für mich sind es zwei Welten: In den 70er Jahren waren die im Design vorsintflutlichen Meisterstücke, gerade auch der große 149er (der als sogenanntes Spezialmodell seit 1952 nie aufgegeben worden war), scheinbar die letzten Goten. Wenn überhaupt Füllhalter, dann doch eher Parker 75. Aber offenbar hatte man in Hamburg doch viel Gespür für das, was da kommen sollte. Und das in einer Zeit, als die Zahlen rot und die Zukunft wenig rosig für das Traditionsunternehmen waren. Das war noch vor der Übernahme durch Dunhill. 

 

Mir gefallen diese Modelle ausgesprochen gut, zeigen sie doch auf fast rührige Weise die alte Klasse dieses Anbieters – noch lange Zeit jenseits des Premium-Produktes inmitten von Lederwaren, Uhren und anderem Accessoire. Daß der Clip etwas biegsamer und dabei etwas weniger gegrätet ist, naja, daß das durchgängige Tintensichtfenster nicht so klassisch und stylish zugleich (dafür aber besser einsehbar) ist, nunja. Auch der Plastik-Mechanismus erinnert eher an die robusten, aber nicht so wertigen "Kardinalshüte". Aber Ebonit und elastische Feder, der Duft einer Zeit, die vergangen ist und die einen an die eigene Jugend erinnert, wo man einen solchen alten Gesellen doch nicht hätte haben wollen, ... wenn denn überhaupt noch einen Füller ...

 

Pelikan machte es damals ähnlich, nur hatte man 1973 keine Möglichkeit einer eigenen Fertigung der alten Kolbenfüllhalter mehr und ließ von Merz und Krell produzieren. Zunächst ...

 

Damals, noch fast unmerklich, vollzog sich ein Wandel, ein Wandel zurück von der Vergangenheit in die Zukunft. Das, was die großen Amerikaner dann zunehmend verschlafen, bis sie beinahe bis zu eigenen Identität verschwinden sollten, konnten so die beiden deutschen Klassiker aufhalten. Und mehr als das. Heute sind diese beiden Marken "top of the list". Aber so wie es den ursprünglichen Pelikan M400 (bis 1997) nicht mehr gibt, so ist es auch mit dem beschaulichen alten MB 146 aus den 70er und 80er Jahren.

Ich freue mich jedenfalls über meinen Kauf in Nürnberg sehr und werde diesen Oldie in Ehren halten. Und mit seiner F-Feder schreibt er auch noch gut, charaktervoller jedenfalls als die heutigen Modelle, zumindest nach meiner Auffassung. 

Ich hoffe, der Exkurs in die 70er hat euch, lieben Lesern, gefallen. 


Viele Grüße

Euer Thomas und die 

Pens and Freaks

Gregors 146er mit der 18-K-Goldfeder, OB. Sehr schön die Kombi Ebonit-Tintenleiter und die blauschwarze Tinte (6.6.15)
Gregors 146er mit der 18-K-Goldfeder, OB. Sehr schön die Kombi Ebonit-Tintenleiter und die blauschwarze Tinte (6.6.15)

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Kommentare: 8
  • #1

    Marcus W. (Freitag, 05 Juni 2015 19:56)

    Hallo Thomas. Danke Dir für die Vorstellung. Wenn ich einen solchen mal bekomme, werde ich ihn auch nehmen. Meist werden sie zu teuer angeboten. MB halt. Danke, daß Du Dir diese Mühe machst. Ich lese sehr gerne bei Dir. Viele Grüße, Marcus

  • #2

    Gregor (Samstag, 06 Juni 2015 14:50)

    Moin Thomas,
    Danke auch für den Einblick in die Geschichte.
    Mein MB146 kam einst mit klemmendem Kolben und gebrochenem Tintenleiten bei mir an - ich hatte ihn eigentlich wegen der seltenen 18k 'Vollgoldfeder' (ohne Platinmaske) gekauft.
    Soviel ich weiß, waren diese für den Export bestimmt, weil in einigen Ländern (Frankreich?) Goldfedern nur als solche beworben werden durften, wenn sie mehr als 14k hatten (?). Der Füller muss wie Deiner ca. aus den 80er Jahren stammen; an der Kappe ist keine Seriennummer.
    Montblanc hat gegen Servicepauschale den klemmenden Kolben behoben, indem sie kurzerhand einen neuen Korpus montiert haben. Der Tintenleiter wurde gleichfalls gegen einen neuen getauscht.
    Leider hat der neue Tintenleiter nicht mit der Feder harmoniert, so dass MB in einem zweiten Anlauf irgendwoher einen Ebonitleiter besorgt und montiert hat.
    Damit schreibt der Le Grand 'Bastard' (neuer Korpus, NOS Tintenleiter, alte Feder und alte Kappe) wundervoll mit sattem Tintenfluss und weicher, elastische Feder. Das Schreibkorn musste ich mir allerdings selber nacharbeiten, das war nichts...
    Die Füllerwelt ist damit um ein Unikat reicher, welches Spezialisten zur Verzweiflung bringen würde ob der gemixten Teile - oder als Plagiat gälte.
    Gruß von der Küste
    Gregor

    P.S:Ich schicke Dir noch ein Bild + Schriftprobe per PM

  • #3

    Pens-and-Freaks (Samstag, 06 Juni 2015 20:56)

    Danke, Gregor, für Deine Erfahrungen oder auch schlechten Erinnerungen. Der MB 146, den ich in Nürnberg von einem italienischen Anbieter aus Rom gekauft habe, hat immer sehr schöne Stücke. Da habe ich letztes Jahr schon einen Parker "51" grün mit vergoldeter Kappe gekauft. MB hat eben keine alten Teile mehr und hilft sich dann so. Das hätten Max Schrage in HH oder Lutz Fiebig in Magedeburg z. B. sicher besser hinbekommen. Vielleicht bekommst Du auch noch einen passenden Schaft für die 18-K-Goldfeder. Das Bild stelle ich gleich dazu. Was ist das für eine Blauschwarz-Tinte?

    Viele Grüße
    Thomas

  • #4

    Gregor (Samstag, 06 Juni 2015 23:34)

    Bitte nicht falsch verstehen, mit dem MB Service war ich durchaus zufrieden. Ich will ja einen ordentlichen, alltagstauglichen Füller haben, und das hat der Service in Hamburg auch erreicht. Da ich weder handle noch den Wert meiner Schreibgeräte an ihrem Originalzustand bemesse, habe ich kein Problem mit alter Feder an neuem Korpus. NB: Es wurde mir sogar noch der Tausch der alten Feder gegen eine neue (dann wohl 14k) angeboten...
    Die tolle Kombination Feder/Tintenleiter macht's aus an dem Füller. 'Chase the nib, not the pen!' gab es mal im fountain pen network zu lesen.
    Die 'blauschwarze' Tinte ist dem Unvermögen der S4-Kamera geschuldet... das ist eine Mischung aus 6 Teilen Waterman Serenity und 1 Teil Waterman Grün. Das Ergebnis ist ein tiefes Blau-Petrol mit viel shading. Meine Allerweltstinte; günstig, fiedert nicht, läuft gut.
    Tut mir leid, da keinen Geheimtipp in Blauschwarz parat zu haben, zumal ich schon gelesen habe, dass Du nicht mischt.
    Gruß von den dunklen Küste
    Gregor

  • #5

    pens and freaks (Sonntag, 07 Juni 2015 13:37)

    Danke, Gregor. Schön, daß Dir der 146er so gefällt, wie er jetzt ist. Altes Federaggregat und alter Body passen sehr gut. Ein bißchen MB-14-Plastik-Feeling in einem 146. 70er halt.

    Lustig, was aus diesen beiden langweiligen Tinten dann so werden kann. Das Gute ist hier. Diese Waterman sind ohne Probleme. Leider hat man ohne Grund die Preise hochgezogen.

    Danke nochmals für Deinen schönen Bericht mit Bild. Die OB gefällt mir gut.


  • #6

    Penophil (Mittwoch, 23 September 2015 16:12)

    Welche blau-schwarze hast du auf dem letztem Bild verwendet? Sieht sehr gut aus!

  • #7

    pens and freaks (Mittwoch, 23 September 2015 19:32)

    siehe unter #4

    VG Thomas

  • #8

    Sven K. (Donnerstag, 07 Januar 2021 23:39)

    Danke Thomas!
    Sehr schöne und wertvolle Übersicht! Wußte nicht dass die MB146s Ende der 80er einen Ebonit-Tintenleiter haben. Damit ist der Halter für mich jetzt für selbstgerührte Eisen-Gallus-Tinten interessant geworden. Am Ebonit sollte die wenige zugesetzte Salzsäure (eigentlich) keine Langzeitschäden anrichten. Mit dem Gummi arabicum kann man gut die Viskosität steuern (wenn man`s selber macht).

    Viele Grüße

    Sven