Schräg, breit, sehr breit, stub und italic? Was ist das alles?

Und was das mit der Pelikan-Entscheidung zu tun hat ...

 

Die Ankündigung von Pelikan, die Schrägfedern (Oblique) nicht mehr herzustellen, hat durchaus Resonanz gefunden. Wie man dies einzuschätzen hat, kann man durchaus unterschiedlich sehen. Bereits vor vielen Jahren hat man, irgendwie wenig beachtet, ja auch bei den vergoldeten Stahlfedern der 200er die immense Federauswahl auf die Standardfedern F, M und B begrenzt. EF gibt es teils auch.

 

Man muß dazu auch wissen, daß Pelikan seine Federn selber herstellt (die 1000er-Federn kommen von Bock).

 

Das möchte ich zum Anlaß nehmen, einige Worte zu verschiedenen Federschliff-Formen zu finden.

 

Welche Federn sollte man anbieten? Welche Schlifformen und Elastizitäten? Welche Materialien? Und was möchte eigendlich der Kunden haben und was ist das für ein Kunde in heutiger Zeit? Welche Beratung gibt es noch?

 

Je nach dem, aus welcher Richtung wir denken, können wir, zumindest aus funktionellen bzw. finanziellen Gründen, zu ganz unterschiedlichen Urteilen kommen.

 

Und so kann man auch, aus jeder Seite betrachtet richtig, unterschiedliche Ergebnisse erhalten, je nach dem, was wir in den Vordergrund stellen.

 

Aus heutiger Sicht sind die Feder F, M und B dominant. Dabei gibt es recht wenig unterschiedliche Ansichten, wie diese Federn geschliffen sein sollen. Alle (zumindest ordentlichen) Federn haben ein Platinmetall-Schreibkorn, das auf das Federmaterial aufgeschweißt wird. Die Bearbeitung erfolgt automatisch oder mehr oder weniger anteilmäßig von Hand. Auffällig ist, daß in der Tendenz diese Schreibkörner größer sind als früher. Bei den einfacheren Stahlfedern gewinnt man mehrheitlich den Eindruck, daß die Schliffkonstanz durch automatische Prozesse recht oder sehr gleichmäßig und kalkulierbar sind. Da sehr viele Federn verschiedener Hersteller von recht wenigen Herstellern kommen, sieht das also recht ähnlich aus. Je nach Fertigung der teureren Federn (vorwiegend Goldfedern) erhält man bei diesen Punktspitzen bisweilen doch recht unterschiedliche Ergebnisse. Da fällt auch mal eine Federn schmäler oder breiter aus. Bei den 1000er-Pelikan-Federn in EF konnte ich dies gut beobachten. Auch die Federmontage spielt eine zusätzliche Rolle für den Tintenfluß.

 

Um nun auf die breiteren Federn zu kommen:

B-Federn sind heutzutage meist recht knubbelig (rundes Korn) und schreiben meist ohne Strichvariation. Bei den BB kann es auch so sein, tendenziell haben diese Spitzen aber auch teils einen gewissen Stub-Charakter. Die Attraktivität der Strichvariation zeigt sich hier also teils schon. Während bei schmalen Federn der Casus knaxus Kratzigkeit ist, ist es bei den breiten Anstrichrobleme durch breite Spitzen und runden Schliff. Freunde dieser Federn mögen das glatte (gläserne) Schreibverhalten. Auch Unterschriftenfüller werden gerne mit solchen Federn gewählt. Es gibt aber auch hier noch Knubbelfedern (das soll nicht abfällig sein, sondern plakativ). Diese haben gerne Anstrichprobleme und haben oft auch einen unscharfen Randstrich.

 

Die Grenze zu den Stub ist da fließend oder kaum vorhanden, wenn man BBs mit Strichvariation haben will. Bei BBB, die es bei großen Haltern mit sehr großen Federn gelegentlich gibt, braucht man die Strichvariation, um überhaupt noch die Buchstaben schreiben zu können, ohne daß die Schlaufen zulaufen.

 

Die Stubs überzeugen demnach durch eine Strichvariation und durch ein "mildes" Schreibverhalten. Für Unterschriften und größere Schriften kann das bereits optimal sein.

 

In den USA finden Italics zunehmend Freunde. Das kann man leicht verstehen, sind das die eigentlichen Schönschreibfedern, wie sie gelegentlich bei deutschen Herstellern wie Pelikan oder Lamy genannt wurden. Wir kennen sie auch gut von Federhaltern aus dem Künstlerbedarf. Mehr oder weniger scharf sind die Federränder, die Federn müssen daher exakter geführt werden. Manchmal bedeutet das auch ein langsameres Schreiben. Die Hersteller versuchen schon, die Ränder nicht zu kantig werden zu lassen, damit die Feder nicht in das Papier beißt.

 

Manche Federn, die eine deutliche Strichvariation haben, aber an den Ecken schön gerundet sind, werden teils auch als Stub mit Angabe der Federbreite (z. B. 0,9; 1,1; 1,3; 1,5; 1,9 mm) bezeichnet. Das verwirrt ein wenig. Die Titanfedern der Stipula 22 waren z. B. so. Ein eigentlich für viele Belange sehr geeignette Schlifformen, zumal man sich dann auch nicht mit abstrakten Begriffen wie Medium, Broad usw. abgibt.

 

Nun kommen wir zu den Schrägfedern. Die amerikanischen Firmen wie Sheaffer, Waterman und Parker haben diese in OM und OB meist interpretiert als Italics (klassische Bandzugfedern, wie man sie in Deutschland auch genannt hat), die man mehr (Sheaffer) oder weniger links anschrägt, um das Schreiben zu unterstützen. Wenn man den Halter schräg ansetzt und von links nach rechts zieht, entstehen feine Auf- und Abstriche und breite Querstriche. Bei einer geraden Italic kann man je nach Federhaltung die Striche horizonal und vertikal unterschiedlich ausführen. Zieht man die Feder schräg, ist es wie bei den schrägen Italics, hält man die Feder mit der Spitze vertikal, so ist es umgekehrt. Bei einer rechtsschrägen Feder, die im wesentlichen (sehr wenige Ausnahmen, OMAS hatte solche mal im Programm) bei Federhaltern im Kalligraphiebereich noch angeboten wird, wäre es auch so. Mangels Verfügbarkeit und Besonderheit im Schreiben, muß ich darauf nicht weiter eingehen.

 

Genau diese schrägen Italics z. B. in einem Parker Duofold oder einem Sheaffer Targa (bei den Parker Sonnets habe ich sie auch gesehen) haben die je nach Schreibhaltung einfacheren Ansatzpunkt und das attraktive Schriftbild. Früher gab es sie auch als OF, die aufgrund der kleineren Punktspitze aber nicht so einfach zu führen sind. DIE klassische Feder dieser Ausrichtung ist eine OB, weil sich diese am leichtesten schreiben bzw. führen läßt. Ist die schmaler, verkantet man leicht, ist sie breiter, muß man langsam schreiben, um nicht zu kratzen. Leider sind diese Federn nicht so einfach zu schleifen, teils kommt es bei den Federschenkeln beim Ansetzen zu Verkantungen und die Feder setzt aus. Heutzutage sind das in der Regel rigide Federn, früher gab es wunderbare teilelastische Federn mit straffen Federspitzen und einem schönen Schwingen in der übrigen Feder (z. B. bei dem Montblanc 14, 12 usw.).

 

Manche Hersteller sehen das nun ganz anders. Für sie ist die schräge Feder lediglich eine Anpassung an gewisse Schreibgewöhnheiten und unterstützt das ziehende Schreiben. Manchmal sind das Knubbelspitzen, die mehr oder weniger links angeschrägt sind, teils gibt es einen gewissen Stub-Charakter und die Schräge. Hersteller wie Lamy oder Pelikan sehen das so. Ein bißchen abhängig von der konkreten Feder gibt es da KEINE oder nur geringe Strichvariation, bei den sehr breiten wie O3B ist diese Variation deutlicher. Das erklärt auch eine gewisse Freunde mancher Füllerfreunde bei sehr großen Federn für die o3B z. B. beim Pelikan M1000 oder Montblanc 149.

 

Und nun komme ich auf die Pelikan-Entscheidung zurück. Wenn Pelikan angibt, ein Gutteil der Kundschaft sei mit den Obliquen (sofern sie überhaupt in Frage kommen) nicht so zufrieden, weil man sich etwas anderes vorgestellt hatte. Ja klar, man wollte eine angeschrägte Stub und keine angeschrägte Rundfeder. Denn diese hat keine eigene Attraktivität im Schriftbild. Und da diese Federn auch nicht mehr regelhaft in den Fachgeschäften sind, kann der Kunde dies dann auch nicht mehr sofort für sich feststellen.

 

Nun komme ich auf die andere Hergehensweise. Von früher her betrachtet, geht es gar nicht um die Federbezeichungen als solches, sondern um Einsatzzwecke. Und da das schöne Schreiben nicht mehr ein Lehrziel der Schule ist und Schreibästhetik gesellschaftlich privat und geschäftlich kaum noch eine Rolle spielen und Schreiben mit der Hand sowieso weniger bedeutend ist, wird die Feder eben auch nicht mehr vom Ergebnis, der Schreibleistung her, gesehen. Sieht man es aber so, so ist eine Attraktivität des Schreibens mit einer Feder neben dem Schreibkomfort das Schreibergebnis, das durch eine Strichvariation wie bei einer Bandzugfeder (nenen wir sie nun Stub oder Italic) unterstützt wird. Und dann ist es vielleicht so, daß man mit attraktivem Federschliff auch mehr als nur wenige Käufer findet. Der Erfolg der 800er-Italic zeigt es auch.

 

Für mich ist die Pelikan-Entscheidung daher eigentlich nicht wichtig. Ich hätte dazu folgende Vorschläge für Pelikan:

 

  • Nicht sehr viele Federn, sondern besondere Federn erhöhen die Attraktivität. Bringt auch bei anderen Serien (200er und 400/600er) eine gemäßige Italic im Stile einer Stipula-Stub 1,1 mm.
  • Macht eine Stub-gemäße BB.
  • Bietet als Option gegen Aufpreis bei den 800 und 1000 spezielle Federschlifformen wie OBB und O3B weiter an, überlegt dabei auch, ob man die Schliffarten optimieren kann.
  • Angeschrägte Rundfedern braucht wirklich (fast) keiner.
  • Und macht eine flexible EF für die Connaisseure bei den 800! (Die 1000er sind teils so).

 

Dann ist eine Reduktion der Federzahl mit wirtschaftlichem Erfolg und Erhöhung der Reputation zu verbinden.

 

Viele Grüße

Euer Thomas

Nachtrag

Federhersteller haben da natürlich noch viel größere Kenntnisse und Einsichten, gerade auch im Produktionsprozeß. Wahrscheinlich wird es unerfüllt bleiben müssen, daß sich Hersteller dazu melden. Ich fände es ungemein spannend, hier mehr zu erfahren. Vielleicht ließt ja Herr Bock mit ...

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Julia (Samstag, 03 November 2012 12:41)

    Hallo Thomas!

    Danke für deinen Bericht!
    Ich habe mich an Pelikan gewendet wegen dieser Entscheidung die O-Federn aus dem Programm zu nehmen. Auch ich schlug Aufpreise für O-Federn vor. Leider habe ich die O3B-Federn zu spät für mich entdeckt. Erst vor einigen Wochen, aber ich kann sagen, dass meine beiden O3B-Federn für mich die tollsten Federn sind, die ich von Pelikan habe (M800 und M1000).
    Ich habe eine Email an Pelikan geschrieben, an die schlichte Info-Mailadresse. Antwort war m.E. nur so eine Standard-Mail, dass sie meinen Unzufriedenheit bedauern, dass die Entscheidung ihnen nicht leicht gefallen sei und dass diese Entscheidung sich in Zukunft nicht ändern wird. Die Antwort auf die Mail kam 10 Tage nachdem ich ihnen geschrieben hatte.
    Aufgrund der - für mich - hohen Wichtigkeit hab ich bereits vor der Email-Antwort noch einen noch ausführlicheren Brief an Pelikan geschrieben (5 oder 6 Seiten), c/o einem der Geschäftsführer. Abgeschickt am 19.10.12. Bisher habe ich noch keine Antwort erhalten. Vielleicht kommt ja eine - etwas "bedeutungsvollere" und "bezugnehmendere" Antwort aus einer höheren Etage bei Pelikan.
    Wie bereits erwähnt, habe ich auch den Vorschlag mit dem Aufpreis gebracht, sowie einige weitere, u.a. O-Federn nur an große Fachhändler zu liefern, die eine große Auswahl haben und eine gute Beratung geben können.
    Du bist ja selbst im Forum und hast gewiss einige Erfahrungen mit Händlern gelesen, dass die Leute da nicht bekommen, was sie wollen, kann ich mit vorstellen.
    Weiterhin habe ich in dem Brief auch geschrieben, dass die schönsten "Hüllen" nichts bringen, wenn man immer die gleiche Feder bekommt. Und dass das Publikum, das viele Füller kauft, auch nicht nur F-, M-, B-Federn haben mag. Und auch, dass ich nicht bereit bin, Füller zu kaufen, die nicht meinem 100prozentigen Geschmack entsprechen. Ich habe "Standard-Federn" genug und habe nur noch Interesse an O3B-Federn (im Moment) und wenn Pelikan mir das nicht bieten kann, dann muss ich halt auf andere Marken zurückgreifen...

    Ich bin gespannt, ob da noch eine Antwort kommt.
    Vielleicht müssten auch mal mehr Leute "die Klappe aufmachen" und Pelikan deswegen kontaktieren, denn so erscheint es nach einem "Einzelwunsch".

    Viele Grüße,
    Julia

  • #2

    Thomas von PAF (Sonntag, 04 November 2012 19:33)

    Hallo Julia,

    vielen Dank für Deine ausführliche und sehr informative Kommentierung.

    Ein in der Tat schwieriges Thema. Die asiatischen Eigner von Pelikan gehen und sehen ihre eigenen Wege. Man schielt sicher zum Nachbarn nach Hamburg und dessen sehr guten Zahlen und nach USA. Man bietet viele LE und viele Farben an, erweitert den Hochpreisbereich.

    Durch Interventionen der Kunden wird man zunächst wenig Grund für Änderungen sehen. Ich weiß auch nicht, ob man sich auch von Kunden "Rat einholt".

    Pelikan hat ja auch nach Jahren die Italic gebracht. Eine Flexible, so sagte man mir vor Jahren, würde nicht nachgefragt.

    Wirklich für mich passende Schrägfedern, die ich früher sehr gerne gekauft habe, habe ich zunehmend nicht mehr finden können, die angeschrägten Knubbeligen habe ich eh nie gemocht.

    Da ich normalerweise bei den Feinen und sehr Feinen bin und zudem Stubs und Italics mag, tut mir das alles nicht so weh. Und die hat Pelikan eh kaum im Programm. Die O3B kenne ich leider nicht.

    Leider ist es mir nie gelungen, Gleichgesinnte zu motivieren, gemeinsam Schreibbeispiele verschiedener Füllhalter mit ihren unterschiedlichen Federn zu erstellen. Dies hätte auch erleichtert, geeignete Federn zu finden.

    Viele Grüße
    Thomas

  • #3

    Erasmus (Freitag, 17 April 2015 20:41)

    Ein sehr interessanter Artikel!
    Allerdings bin ich etwas überrascht. Ich dachte oblique Federn haben immer eine Strichvariation (mehr oder weniger extrem natürlich und abhängig von der Grundbreite).
    Ich habe 2 Lamy 2000, einen OM und einen OB, beide zeigen deutliche Strichbreitenvariationen. Der Pelikan M800 hat mit der OBB-Feder eine deutliche mit der OM-Feder (ich tausche öfter einfach die Feder aus - ist billiger :-) aber eine sehr schwache Variation. Die gut 6-7 Montblancs (Vintage und moderne), in OM über M bis OB und B(B) zeigen alle außer der M recht deutliche Strichbreitenvariation.
    Im übrigen kann ich dem gesagten, insbesondere deinen Wünschen nir zustimmen.
    Erasmus

  • #4

    pens and freaks (Samstag, 18 April 2015 11:45)

    Manche Hersteller bevorzugen angeschrägte Kugelfedern. Sie unterstützen damit ein ziehendes Schreiben. Lamy gehört eigentlich auch dazu. Das ist ja mit ein Grund dafür, daß besondere Federn kaum gefragt sind, in der Masse zumindest. Viele Hersteller bieten einfach keine attraktiven Schliffe.
    Montblanc wird js zukünftig Ausprobiersets im Handel vorhalten, damit die Kunden alles probieren können. Sehr gut.