Wir schreiben die 50er Jahre in Hannover. Wir erinnern uns: Pelikan hat die erfolgreichen Serien 120, 140 und 400 im Programm. Für den Export gibt es den 300. Und es gibt Luxusvarianten des 400. Mit der Zigarrenform hat man sich nicht schwer getan. Der 140 und 120 hat sie bereits, der 300 auch. Der 400 wird über das Zwischenmodell zum 400NN, der Zelluloid, die freistehende Goldfeder und die angedeutete Stromlinie bis 1965 weiter tragen wird. Dann wird dann Schluß sein mit dem Zelluloid und der alten Bauform. Es soll dann in den 70ern doch anders kommen und man wird sich an die klassische 400er-Form erinnern und über den Zwischenschritt Merz & Krell ab 1982 wieder die 400er in der Urform selbst herstellen. Zelluloseacetat wird das leicht entflammbare Zelluloid ablösen. Aber soweit sind wir noch nicht.
Die Füllhalterfirmen in den 50ern müssen noch zweierlei verkraften: Den Parker "51" und natürlich den Kugelschreiber, der seit 1945 die Welt erobert. Es wird für die traditionellen Firmen immer enger. Der Spritzkunststoff macht die Fertigung leichter, auch wenn man dabei viel Klasse verlieren wird. Und die freistehende Goldfeder wird unmodern werden. Pelikan soll nun endlich handeln und einen fortschrittlichen Füllhalter bringen! Man tut sich schwer und erst Ende der 50er ist es so weit. Der Pelikan P1 wird kommen. Und er wird scheitern. Warum, das ist nicht so klar. Es ist sicher eine Verkettung bestimmter Entscheidungen, die dazu geführt hat. Aber die Grundidee wird zwei Jahre später, nämlich 1960, dann zu einem Riesenerfolg führen: Der Pelikano-Schulfüller mit seinem Patronensystem wird den Grundentwurf und den Tintenleiter übernehmen. Der Erfolg wird so groß werden, daß die Pelikano den Händlern aus den Händen gerissen werden. DER Schulfüller schlechthin, zumindest für Deutschland, ist für Jahrzehnte gefunden.
Für den P1 wollte die erfahrende Firma aus Hannover alles richtig machen. Die schlanke Grundform mit Metallkappe und verdeckter Feder erinnert an das amerikanische Vorbild Parker "51", der schon 1941 in den Handel gekommen war. Der teure Parker spielte hierzulande keine Rolle. Zu einem Begriff sollte die Firma Lamy aus Heidelberg werden, die mit dem Lamy 27 1952 den ersten deutschen Füller mit verdeckter Feder und Stromlinienform gebracht hatte. Und mit ihm hat der P1 die Schraubkappe und den Kolbenfüllmechanismus gemeinsam.
Wie man den P1 nun betrachtet, ist wirklich sehr unterschiedlich. Er wird als Kind der Endfünfziger teils als "Cadillac mit Heckflossen" verspottet, dessen schwülstige Form lächerlich ist und dem die Sachlichkeit des Originals Parker "51" und auch des Lamy 27 fehlt. Auf der anderen Seite kann man aber auch positiv sehen, daß man bei der praktischen Schraubkappe geblieben war. Und die grünen Bullaugen erlauben bei geschlossener Kappe eine gute Tintenstandskontrolle. Auch der Pelikan-Schnabel-Clip war in dieser Zeit ein sehr gutes Marken-Symbol. Es zeigt den Stolz der Marke, die mit den 400ern in jener Zeit ein Qualitätsmaßstab war. Und es auch heute noch ist.
Nochmals die konstruktiven Merkmale:
Jeder mag es selber beantworten, ob ihm der Halter im Pelikan-Stil gefällt. Ich finde ihn sehr gelungen und sein Handling mit und ohne aufgesteckter Kappe ist bei aller Leichtigkeit sehr angenehm. Die Kappe arrettiert fest und sicher.
Sehr praktisch ist die Schraubkappe, die keine Beschädigungen am Corpus hinterläßt und sicher schließt. Eine halbe Umdrehung reicht. Sehr angenehm. Der verläßliche und bewährte Kolbenfüllmechanismus ist ohne Tadel. Die Schraubkappe läßt sich üblicherweise bei diesen Modellen nicht so fest ziehen, sie ist aber auch nicht lose und löst sich auch nicht. Kein echtes Manko.
Erstmalig verwendet Pelikan einen Kunststoff-Tintenleiter. Der Tintenleiter "thermic-Tintenregler" soll durch seine Ausgleichslamellen sehr viel auslaufsicherer sein. Der Fluß ist gut und bei diesem Exemplar mit einem exzellenten Federschliff sehr angenehm. Die Feder läuft ohne jegliches Kratzen und ist sehr leise. Der Tintenfluß ist gut, nicht so üppig und kräftig wie beim MB oder bei den klassischen Pelikanen. Aber es ist in Ordnung. Der Lamy 27 hat einen eher noch kräftiger fließenden Tintenleiter. Dieser ist ja im Lamy 2000 bis zum heutigen Tage im Einsatz und ausgezeichnet.
Unten ein zeitgenössischer Konkurrent, das 1960/61 komplett erneuerte Meisterstück von Montblanc. Auch bei MB hatte sich einiges getan. In Hamburg hatte inzwischen der Spritzkunststoff nun bei den Meisterstücken, beginnend mit dem 144-Übergangsmodell 1960, Einzug gehalten. Der 14er sollte den P1 um sieben Jahre überleben und den Grundentwurf im Classic und später Generation bis zur Jahrtausendwende tragen.
Der am 2.9.1958 eingeführte P1 bekam im April des Folgejahres eine geänderte Arrettierung. Der Federring in Schaftmitte wurde durch einen Sprengring in der Kappe ersetzt. Der Schaft erhält dadurch eine lange gestreckte ununterbrochene Form. Im September 1962 schließlich wird der Pelikan-Schriftzug am Kappenrand zweizeilig. Ein Jahr später, 1963, ist Schluß. Der P1 verschwindet noch vor dem endgültigen Ende der 400er-Baureihe, seinem Vorgänger. Den 400 NN wird es noch bis Juli 1965 geben.
Warum war der Pelikan P1 letztlich kein Erfolg?
Eigentlich hatte Pelikan aus der damaligen Sicht alles richtig gemacht. Man war überhaupt nicht so weit, einen wirklich komplett neuen Entwurf zu realisieren. Man konnte sich einen Pelikan ohne den stolzen Pelikan-Clip noch nicht vorstellen. Die Schraubkappe ist einfach praktisch und der Füllmechanismus sehr zuverlässig. Warum sollte man dies aufgeben? Auch die Abschlüsse an Kappe und Füllgriff waren verspielt und entsprachen der damaligen Formensprache. Die elegante schlanke Form war sehr chic.
Vielleicht war es der Preis, der höher lag als beim 400er. Wer sich damals noch für einen hochwertigen Füllhalter entschied, mag den gediegenen 400er bevorzugt haben oder den preiswerteren Lamy 27 mit seinen verschiedenen Ausführungen. Oder er könnte auch einen prestigeträchtigen Montblanc ins Auge gefaßt haben. Vielleicht empfand die Kundschaft den P1 mit seinem Duroplast-Gehäuse auch nicht mehr so hochwertig wie die Zelluloid-Modelle (was ja letztlich auch so ist). So genau kann man das heute nicht mehr sagen.
Der eigentliche Initiator Parker hatte in dieser Zeit längst umgedacht. Zwar gab es noch den "51"-Nachfolger 61 und den "51" selbst noch bis Anfang der 70er Jahre. Es stand aber bereits der Parker 75 mit seiner freistehenden Goldfeder und seinen eleganten Gehäuseausführungen aus Metall vor der Tür.
So bleiben vom Pelikan P1 die Geschichte vom Anfang der Moderne bei Pelikan und die Abkehr vom klassischen Pelikan, der so viele Jahrzehnte gerne gekauft worden. Die am Pelikano wiederum angelehnten Nachfolger des P1 konnten ebenso nicht an die alten Erfolge anknüpfen.
Ich selber mochte den P1 schon immer. Mein Exemplar ist praktisch neuwertig und schreib sehr gut mit einer attraktiven OBB-Feder. Die robuste Grundkonstruktion dürfte auch im normalen Einsatz zum Tragen kommen und das leichte Schreiben ist eine Wohltat. Parker "51" gibt es wie Sand am Meer, der P1 wird immer ein Unikum bleiben. Mir gefällt das Unikum.
Viele Grüße
Thomas und die Pens and Freaks
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Marcus W. (Mittwoch, 24 Juni 2015 20:01)
Hallo Thomas. Auch für den neuen Bericht ganz lieben Dank. Den P1 kannte ich noch nicht. Er hat etwas Lustiges und Sonderbares. In den 50er Jahren war dieses Design in.
Mach weiter so. Viele Grüße Marcus
pens-and-freaks (Montag, 17 August 2015 23:05)
H.-J. M. schrieb:
"Hallo Thomas,
auf deinen Internet-Auftritt bin ich aufmerksam geworden, als ich nach Informationen über den schönen Pelikan P 1 suchte. Ich habe zwei davon und benutze sie sehr gern. Deshalb habe ich mich sehr über den umfangreichen Beitrag zu diesem klassischen Schreibgerät - einschließlich der stilvollen Werbeanzeige - gefreut ..."
pens-and-freaks (Montag, 17 August 2015 23:06)
Danke, Hans-Jörg, für die freundliche Rückmeldung. Login folgt. Gerne hören wir mehr von Deinen P1. Auch Schriftproben willkommen.
VG Thomas und die Pens and Freaks
Andreas (Samstag, 12 August 2017 11:36)
Auf dem Schreibtisch des jugoslawischen Nobelpreisträgers Ivo Andric in Belgrad in seiner Wohnung, die ein Museum ist, steht ein Pelikan P1 schwarz mit der vergoldeten Kappe. Er schrieb auch mit dem Shaeffer PFM, aber offenbar hat er sich nach dem Erhalt des Nobelpreises einen Pelikan P1 angeschafft oder als Geschenk bekommen.
Pens and Freaks (Samstag, 12 August 2017 21:18)
Danke, Andreas. Sehr interessant.
Viele Grüße
Thomas