Der Parker "51" und die Folgen: die Ära der Minifedern

Aus zeitlichen Gründen muß ich den Monatsbeitrag Dezember splitten. Auch Bilder muß ich nachreichen.

 

Es geht um die Geschichte der kleinen Federn. Begonnen hat alles damit, daß Parker einen Füllhalter vorstellen wollte, der für eine neue Tinte geeignet sein sollte. Diese sollte schnell trocknen. Mit den üblichen Federn ging das gar nicht. Aktuell waren zu diesem Zeitpunkt Ende der 30er Jahre die Vacumatics, die mit ihrem großen Tintenraum, den man sehr schön durch die wunderschöne Celluloid-Quermaserung sehen konnte, stark beworben worden waren. Erfolgreich waren sie auch. Zu diesem Zeitpunkt waren die schönsten Federn zweifarbig, so auch bei vielen Vacumatics oder auch beim "Erfinder" Sheaffer mit dem zigarrenförmigen Celluloid-Halter Balance.

 

Parker ließ sich einen Halter mit einer im wesentlichen verdeckten, röhrenförmigen 14-K-Goldfeder und Metallsteckkappe entwickeln. Der Schöpfer war  Lazlo Moholy-Nagy. Der "51" (in Anführungsstrichen geschrieben gegenüber dem Parker 61) wurde zunächst 1939 (51 für 51. Parker-Geburtstag 1939) in Brasilien am Markt getestet und recht zögerlich aufgenommen. Der erste Typ mit dem Vacumatic-Füllsystem wurde 1941 in den USA ab 12,50 US-Dollar eingeführt. Gegenüber dem Vacumatic konnte der Tintenstand nicht eingesehen werden. Mit dem "51" begann auch das Zeitalter der Duroplasten statt Celluloid und damit der Einfarbigkeit. Das Material, Lucite genannt, widerstand der sehr alkalischen und Isopropyl-Alkohol-haltigen "51"-Tinte, die in keinen anderen Haltern verwendet werden durfte. Neben dem in der Rüstungsindustrie erstmalig eingesetzten Duroplasten war die Metallkappe als sehr zuverlässige Steckkappe neu. In vielen Ausführungen wurde der "51" bis 1972 hergestellt. Unter  http://www.parker51.com/ kann man die Nuancen nachlesen. Die sehr robuste und äußerst zuverlässige neue Füllvariante mit dem Nylon-Sack und dem einfachen Pumpsystem über eine Metallbrücke, genannt Aerometric, wurde 1948 eingeführt. Diese Halter haben einen am Griffstück abschraubbaren Schaft und nicht mehr die Blindkappe mit dem darunterliegenden Pumpmechanismus des Vacumatic, dessen Aluminiumteile in Kriegszeiten durch Kunststoffteile ersetzt werden mußten.

 

Der überwältigende Erfolg des "Füllers wie von einem anderen Stern", des "World´s Most Wanted Pen" beeindruckte auch die anderen großen amerikanischen Hersteller sehr.

 

Sheaffer 1942 brachte den Triumph mit den wunderschönen Bicolor-Ringfedern, Eversharp  1944 den Fifth Avenue, 1945 der angeschlagene Füllhalter-Erfinder Waterman den Taperite.

 

Alle Versuche, gegen den "51" zu punkten, waren wenig erfolgreich. Der "51" war bereits Mitte der 40er Jahre 5 Mio. mal verkauft worden. Der Triumph war, wie viele Sheaffer-Modelle der Zeit, ein Erfolg, die ehemals so erfolgreichen (Wahl-) Eversharp und Waterman (USA) gingen in den 50ern endgültig unter.

 

In Deutschland bedeutete die Kriegszeit und die Nachkriegszeit selbstverständlich eine Zäsur. Manche Firmen hatten mit erheblichen Kriegsschäden zu kämpfen, so z. B. Montblanc.

 

DER deutsche Füller mit einerseits zigarrenartiger Form und andererseits mit einer (teil-) verdeckten Feder war der ersten unter eigenem Namen vorgestellt Entwurf: der Lamy 27, der 1952 in den Handel kam. Einerseits konservativ mit Schraubkappe und robustem Kolbenfüllsystem ausgestattet wirkte er modern und attraktiv. Sein damals entwickeltes Tintenleitsystem, Tintomatic genannt und als Flugzeug-geeignet beworben, wird bis heute im Lamy 2000 eingesetzt, der ihm letztlich nachfolgt.

 

Auch Montblanc brachte Ende der 50er Modelle mit eingelegten Federn, die in den verschiedenen Serien angeboten wurde. 1959 wurde sogar das Meisterstück (Modelle 12, 14 und höherwertige Modellausführungen) mit einer teilverdeckten Feder versehen und bis 1970 hergestellt. Erst dann kamen ab 1973 wieder die 146 und 144, während der große 149 weiterproziert worden war.

 

Diplomat brachte mit dem +2 1958 einen Füllhalter mit kleiner Feder und mit einem Patronenfüllsystem, ehe Pelikan sich den damals modernen Formen nicht mehr verschließen mochte.

 

Der teuere P1 war 1959 das Entree. Mit der kleinen Feder und der Metallschraubkappe wirkte er mit seiner schlanken Erscheinung und dem klassischen Schnabelclip in Verbindung mit den weit hinten gelegenen runden Sichtfensterpunkten wie die Heckflossen-Autos der damaligen Zeit. Erfolgreich war der Kolbenfüller nicht, er war aber Vorbild für einen unglaublichen Welterfolg: für den 1960 vorgestellten blauen Pelikano mit seiner Aluminiumkappe. Diese Patronenhalter hatte in seiner ersten Version eine verdecke Feder und erinnerte unbemein an den "51", auch wenn sein vorne am Griffstück liegendes Gewinde für die Schraubkappe viel weniger elegant wirkte. Meiner Meinung nach der mit Abstand schönste Pelikano!

 

Geha mit dem 3V und Montblanc mit dem Monterosa zogen nach und beanspruchten ihren Platz bei den Schulfüllern. Klassische einfache Füllhalter, die als Schulfüller zum Einsatz gekommen waren, waren über Nacht unmodern und verschwanden rasch. Der Pelikan 120 hatte gegen den Pelikano keine Chance mehr.

 

Der Lamy 2000, im Jahre 1966 erstmals vorgestellt, ist eine würdige Weiterentwicklung des "51"-Entwurfes. Auch wenn die schnell trocknende Tinten später keine Rolle mehr spielte, die kleinen Federn waren lange chic, führten aber auch in eine Richtung, die wenig Argumente für den Füllhalter gegenüber den übermachtigen Kugelschreiber übrig ließen. Die kleinen Federn zeigten keine Elastizität und die Attraktivität einer großen freistehenden Goldfeder war nicht mehr vorhanden.

 

So praktisch und modisch diese Art Füllhalter auch war, heute wendet man sich mehrheitlich den großen freistehenden Federn wieder zu. Einzig der Lamy 2000 hat im wesentlichen das Erbe zu verteidigen, das der legendäre und sehr beliebte, weil auch im tägliche Einsatz bis heute bewährte "51" begründet hat. Sein qualitativ nicht so gute Nachfolger 61 mit dem problematischen Tampon-Füllsystem konnte in keiner Weise an den "51" anknüpfen, später ging Parker mit dem großen Erfolg 75 wieder zur freistehenden Feder zurück. Leider hat der Parker 100 nur ein kurzes Gastspiel Anfang der 2000er-Jahre gezeigt und ist sang- und klanglos wieder verschwunden. 

 

Man kann heute diskutieren, ob der "51" und seine Idee letztlich für den Füllhalter längerfristig gesehen von Vorteil oder Nachteil war. Es ist müßig, das zu diskutieren, denn der Entwurf war für Parker über Jahrzehnte ein exzellenter Erfolg. Auch wenn sich der Füllhalter im Erwachsenenbereich bis heute nie mehr so richtig erholt hat, haben es die Hersteller meiner Ansicht nach versäumt, attraktive elastische und große Federn so zu lancieren, damit ein größerer Kundenkreis gewonnen werden kann. Und das hat mit dem "51" nichts zu tun.

 

Ich hoffe, der Beitrag war unterhaltend. Sicherlich gibt es noch viele Details und Aspekte, die zu diesem Thema passen.

 

Viele Grüße

Thomas

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Kommentare: 8
  • #1

    Jörg (Dienstag, 11 Dezember 2012 12:36)

    Hallo Thomas,

    bin immer noch regelmässiger Leser hier, es fehlt aber manchmal die Zeit, einen Kommentar oder mehr hier einzubringen.

    Habe ja bereits erwähnt, dass ich einen Lamy 27e in schwarz mit OF-Feder ersteigert habe. Der ist mittlerweile mein absoluter Lieblings-Füllhalter geworden, nicht nur, weil der in einem Top-Zustand ist. Ich schiele schon nach weiteren Füllern aus dieser Modellreihe. Soweit ich dies beurteilen kann ein richtiges Work-Horse, wie die Amerikaner sagen. Da ja die Technik in Teilen identisch ist, wurde auch plötzlich das Interesse an einem Lamy 2000 geweckt.
    Da bist Du nicht unwesentlich schuld daran, ich habe hier irgendwo zum ersten Mal etwas über den Lamy 27 gelesen.

    viele Grüße

    Jörg

  • #2

    Thomas von PAF (Dienstag, 11 Dezember 2012 19:50)

    Hallo Jörg. Vielen Dank für Deinen Beitrag. Da sehe ich auch, daß ich den Lamy 27 noch gar nicht in der Klassiker-Reihe vorgestellt habe. Da ich ihn momentan nicht zuhause habe, kann ich ihn nicht fotografieren, es ist auch eine einfache Ausführung in Schwarz mit einer F-Feder.

    Der Lamy 27 ist zwar recht schmächtig für heutige Belange, aber mit Kappe wie ein Bleistift. Die Feder läßt sich gut führen und läßt sich leichter ansetzen als beim 2000. Die Mechanik und Materialqualität ist sehr hochwertig und alles ist dauerhaft. Jetzt habe ich gelesen von der Ermutigung, alte Montblancs als Arbeitspferd täglich einzusetzen. Ohje. Manche Modelle bleichen aus oder es gibt Risse, das gilt gerade auch für die einfacheren Modelle aus Spritzkunststoff. So wie beim Celluloid-400er oder -140er gibt es da beim Lamy 27 keine Probleme (so wie ich jedenfalls weiß).

    Ein kleiner Füller, für mich schon ein bißchen schmächtig, aber der Beginn des Begriffes "Lamy" für gut gemachte Schreibgeräte.

    Vielleicht schickst Du uns ein Bild oder ein paar Worte über ihn, wenn es Dir möglich ist/wird.

    Viele Grüße
    Thomas

  • #3

    Thomas von PAF (Dienstag, 11 Dezember 2012 19:58)

    Jetzt kommt die Ergänzung zum Lamy 2000: Vor kurzem hatte ich gefragt, ob weitere Informationen zum 2000er gewünscht wären. Die Resonanz hier und per E-Mail war eher zurückhaltend. Daher kann ich auf die Details zu den 2000er-Modellen nicht ausführlich eingehen. Der 2000 ist inzwischen bei einigen der "Godfather of Rock ´n Roll". Das würde ich so nicht bestätigen. Es ist ein sehr spezieller Füllhalter, mit dem die Mehrheit der Alltagsschreiber sicherlich nicht so gut zurechtkommen dürfe. Das liegt an der Form, den Verschlußhaken, der kleinen Feder und auch am Federschliff. Auch eine Bandzugfeder fehlt. Man kann durch Umschleifen sicherlich sehr viel machen, da die Substanz des Füllers in Material, Funktion und Dauerhaftigkeit sehr gut ist, aber ...

    Lamy 2000 alt, neu, in Edelstahl ... Alles wiederum eine eigene Geschichte.

    VG Thomas

  • #4

    Jörg (Donnerstag, 13 Dezember 2012 00:20)

    Hallo Thomas,

    ich werde auf alle Fälle mal einen Lamy 2000 in die Hand nehmen und damit schreiben.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auch hinderlich sein kann, viele unterschiedliche Füller zu besitzen und auch zu benutzen, man gewöhnt sich viel zu schnell an bestimmte Modelle und ihre Eigenheiten. Der Wechsel auf ein anderes Modell lässt einen dann zweifeln, wieso man gerade dieses Modell früher so gut fand. Lange Zeit war ich zufrieden mit einem Pelikan M200 oder auch verschiedenen schlanken Lamy-Modellen (cp1, Linea). Sicher ist bei mir, dass ich mit den schlanken Füllern von Lamy nicht gut zurecht komme, auch wenn der Lamy 27 schlank ist, so liegt er mir sehr gut in der Hand, vor allem das glatte, sich nach vorne verjüngende Griffstück passt mir sehr gut. Habe jetzt auch noch einen kleineren Lamy Ratio 47 erstanden (ich wusste nicht, dass der noch kleiner und auch schlanker wie ein 27 ist), der widerum liegt mir nicht so gut. Bei den Pelikanen stört mich das am Ende leicht ansteigende Griffstück. Nur ein Füller-Modell zu besitzen kann aus dieser Sicht dann vielleicht auch ein Vorteil sein, man hat sich an die Eigenschaften so gewöhnt, kommt deswegen damit auch gut zurecht, dass es garnicht notwendig ist nach vielleicht besseren Füllern zu schauen.

    viele Grüße

    Jörg

  • #5

    aljen (Dienstag, 06 August 2013 15:51)

    Moin,

    nicht uninteressant dürfte auch das "life after life" des "51" sein. Parker hatte seine Produktionsstätten unter anderem in Shanghai, und als diese in den 1950er durch das kommunistische Regime verstaatlicht wurde, blieben die Produktionslinien in China.

    Fortan wurden die dem "51" baugleichen Modelle für den Binnenmarkt und für die sozialistischen Brüderländer in der Volksrepublik China produziert. Wie viele Stück von den Nachbauten verkauft wurden, weiß wohl nur noch der Vorsitzende Mao.

    Auf jeden Fall staunte ich nicht schlecht, als ich auf meiner letzten Polen-Reise dieses Jahr tatsächlich in einem "Papeteria"-Laden die "schick" (kleine Pappbox, Zellophan-Folie, das war's) verpackten Halter in Reih und Glied neben Pelikan, Waterman und Sheaffer liegen sah. Die Dinger haben offensichtlich alle Systemwenden überlebt und heißen jetzt "Hero". Stückpreis: etwa fünf Euro.

    Habent sua fata…

  • #6

    Thomas paf (Dienstag, 06 August 2013 22:36)

    Danke, Aljen. Die Heros sind in Machart und Schreibverhalten pgsnz weit entfernt von den P. "51". Hsbe auch 2. Ist aber nix Gscheites.

    VG Thomas

  • #7

    Jörg (Samstag, 27 Januar 2018 14:01)

    Hallo,
    wo bekommt man den Ersatzteile für den Parker 51 Vacumat.

    Den Schlauch und das Pumpelement.
    Besten Dank im vorraus.

  • #8

    Pens and Freaks (Montag, 29 Januar 2018 21:04)

    Hallo Jörg,

    wie geht es mit der Restauration:
    https://www.youtube.com/watch?v=FCBsMGnhaGQ

    Wo wird er repariert?
    Z. B. hier: http://parker51.com/index.php/repairs/ (Anbieter kenne ich nicht, andere auf Stichwort Parker 51 repair).

    Teile? Z. B. hier: http://www.penhome.co.uk/parker-51-repair-information.html oder anderswo auf das Stichwort Parker 51 repair parts

    Ich habe selber keine Erfahrung mit entsprechenden Anbieters. Üblicherweise ist Großbritannien die nächste Adresse, Vacumatics bekommt man in D üblicherweise nicht repariert und auch keine Teile. Möglicherweise haben die deutschen Anbieter wie interpens solche Teile. Die nächste Penshow in D wäre in Köln.

    Ich hoffe, ich konnte etwas helfen. Ich freue mich über ein Update, ob es geklappt hat.

    Viele Grüße
    Thomas