Ein erster Eindruck vom Pilot Bamboo

 

Einleitung: Zum Bamboo kam ich durch einen Zufall. Bei einer Reparatur war mein Namiki Falcon verschwunden und er wird nicht mehr produziert. Durch diesen Umstand konnte ich mir einen anderen Pilot ersatzweise aussuchen. Ich habe mich für den Bamboo entschieden.

 

Die Firma Pilot: Ryosuke Namiki gründete 1918 in Japan die Firma. Die Produkte werden traditionell in Europa als Pilot, in USA als Namiki angeboten. Der deutsche Service befindet sich in Norddeutschland, in Oststeinbek und ist äußerst freundlich. Frau Gesche Mühlenberg kümmert sich hervorragend um die Kunden.

 

Entstehung des Bamboo: Juliette Bonnamour, eine junge französische Designerin, hat den Bamboo entworfen.

 

Erste Besichtigung: ein großes Schreibgerät mit einer eigenständigen Optik. Dimensionen: 153 mm Länge, mit Kappe 172 mm. Gewicht 35 g. Gehäuse und Kappe aus schwarzem (auch blauem oder rotem) Duroplast-Kunststoffmaterial. Gehäusedurchmesser 12 bis 14 mm. Der Halter ist einem Bambusstab nachempfunden. Die Abschlüsse an Kappe und Corpus sind angeschrägt. Der Durchmesser des Halters variiert und ist in der Mitte am stärksten. Das Design ist reine Geschmackssache. Aber Schreibgeräte im „Einheitsdesign“ haben wir ja zur Genüge. Die in Europa angebotene Ausführung mit dem rotgoldplattierem Clip in Verbindung mit den ansonsten silberfarbenen Akzenten stört manchen, mich nicht. Es gibt ja auch eine in den USA angebotene Ausführung mit silberfarbenem (wahrscheinlich rhodiniertem Clip) als Namiki Bamboo. Dort ist er auch mit einer rhodinierten Oberfläche erhältlich.

 

Kappe und Clip: Die große Kappe wird abschraubt und ist sicher aufzustecken. Dann ist der Halter sehr lang und recht klobig. Aber es geht. Ich benutze die meisten Füller ohne aufgesteckte Kappe. Die große und solide Kappe besitzt ein metallenes Innengewinde. Das Gewindependant am Corpus ist ebenfalls aus Metall. Der Kappensitz ist gut und sicher. Der solide Clip ist fremdgefedert und kommt seiner Funktion tadellos nach. Sicherer Sitz und sicherlich dauerhafte Funktion. Die Clipauflage ist glatt und breit. Das dürfte den Stoff einer Hemden- oder Jackentasche schonen.

 

Feder und Griffstück: Die 21 mm aus dem Griffstück ragende Massivgoldfeder ist rhodiniert, am Federrand matt, ansonsten glänzend. Die Ziselierung trägt im glänzenden Innenteil ein Außenornament. Unterhalb des runden Luftloches finden sich Firmennamen, Angaben über Goldgehalt und Federstärke. Die mir vorliegende Feder besteht aus 18 Karat, die in den USA angebotenen Federn hingegen aus 14 Karat Gold. Angeboten werden die üblichen Federstärken F, M und B. Also eine recht langweilige Auswahl. Der Tintenleiter besteht, wie leider heute üblich, aus Spritzkunststoff. Der Tintenleiter ist korrekt auf der Feder montiert. Das Griffstück ist 11 bis 12 mm stark und setzt sich deutlich vom Corpus ab. Die deutliche Stufe zum Corpus von ca. 2 mm kann einen sehr stören. Oder man empfindet das nicht zu dicke Griffstück als angenehm und stört sich nicht an der unvermeidlichen Stufe. „Function follows form“.

 

Übriger Corpus und Füllsystem: Das Griffstück ist mit dem restlichen Halter über ein Metall-auf-Metall-Gewinde verbunden und sitzt absolut sicher. Kein ärgerliches Selbst-Aufdrehen bei der Benutzung. Der eingesetzte Konverter ist ein hochwertiger Pumpkonverter mit recht großer Füllmenge. Sehr gute Füllung und sichere Funktion.

 

„Road Test“:

1. Über den Pumpkonverter füllt man den Bamboo schnell und sicher. Eine sehr gute Konstruktion. Der beste Konvertermechanismus, den ich kenne. Unterdrucksystem wie früher bei den Parker Vacumatics. Der sichere Halt von Griffstück und Corpus bzw. Kappe und Corpus sind ein wichtiger Sicherheitsaspekt. Die Kappe lässt sich nach zwei Umdrehungen abdrehen. Das ist in Ordnung, eineinhalb Umdrehungen hätten mir aber auch genügt.

 

2. Die mir vorliegende, gut proportionierte F-Feder schreibt recht schmal. Sie ist also eine typische japanische F-Feder. Vorsicht: wer breitere F-Federn gewohnt ist, der greife zu einer M. Die Federschenkel geben auf Druck etwas nach. Die Feder zeigt also eine minimale Elastizität mit etwas stärkerem und dunklerem Strich. Natürlich ist das keine flexible Feder im früheren Sinne. Das Schreibkorn ist ein bisschen rau, verfügt aber auch über den minimalen Biss, der für ein ausdrucksvolles Schriftbild manchmal ganz nützlich ist. Verwendet habe ich Private Reserve Midnight Blues. Der Tintenfluss ist mittelstark. Ich wünschte ihn mir etwas kräftiger. Der horizontale Rückstrich der Feder könnte etwas tintenstärker sein. Insgesamt ein gutes Schreibverhalten ohne wesentliche Besonderheiten. Die breiteren Federn kann ich derzeit nicht beurteilen. Eine zweite Feder zeigte prinzipiell vergleichbare Eigenschaften, sodass meine Beurteilung sicherlich kein Einzelfall ist. Allerdings hatte diese Feder eine unbefriedigende Fixierung zwischen Feder und Tintenleiter, sodass sich die Feder beim Schreiben „knackend“ abhob. Federaustausch schnell und erfolgreich. Es gibt also auch bei japanischen Haltern relevante Fertigungsschwankungen. Wegen des Services muss einem aber nicht bange sein.

 

3. Größe, Gewicht und Balance des Halters empfand ich als angenehm. Der Bamboo ist wegen Größe und der Stufenbildung sicherlich kein Füllhalter für Daueraufgaben. Ihm liegen kurze Einsätze besser. Verglichen mit anderen größeren Haltern klassischer Prägung wie z. B. Aurora Talentum oder Delta Dolcevita, liegt er nicht so „organisch in der Hand“. Letztlich ist das aber Geschmackssache. Das Kunststoffmaterial ist an sich nicht zu kritisieren. Es entspricht dem üblichen Niveau. Es hinterlässt aber bei mir einen plastikmäßigeren Eindruck als beispielsweise bei Sailor oder Aurora, von Montblanc ganz zu schweigen.

 

4. Die Metallgewinde an Kappe und Corpus sind zwar eine stabile Sache, aber mir ist Kunststoff auf Kunststoff angenehmer. Auch muß man bewusst die Feder am Metalleinsatz in der Kappe vorbeidirigieren, um nicht die Feder am Metall zu verkratzen. Das ist natürlich auch Gewöhnungssache. Pilot hat sich jedenfalls große Mühe gegeben, hochwertige Bauteile zu verwenden.

 

Meine Beurteilung: Ich komme beim Pilot Bamboo zu einer vergleichbar guten Einschätzung wie meine Vorredner. Sicherlich hätte ich mir den Bamboo ohne den Servicezwischenfall nicht zugelegt. Ich halte ihn auch mit regulär ca. EUR 270 für recht teuer. Aber sind wir nicht auch froh, dass nicht alle Füller wie ein Montblanc Meisterstück aussehen? Der Mut, einen solchen Füller zu entwickeln, verdient Respekt. Wer etwas Besonderes im Design möchte und mit den angebotenen Federbreiten zurecht kommt, erhält mit dem Bamboo eine interessante Alternative. Das Design erfordert naturgemäß leichte Einschränkungen auf der praktischen Seite, die manche stören, manche nicht. Die Schreibeigenschaften und die Praxistauglichkeit sind durchaus überzeugend. Meinen Bericht nenne ich bewusst „Ein erster Eindruck“. Einen Erfahrungsbericht würde ich nicht vor Ablauf eines Jahres abgeben.

 


Pilot Bamboo

Update

= Erfahrungsbericht

 

 

Das ist ein Bericht aus dem Jahre 2008. Zwischenzeitlich habe ich den Bamboo über 4 Jahre. An der Materialqualität hat sich keine Veränderung ergeben. Alles sehr gut, wie bei Pilot üblich. Die Feder ist auch nicht zerkratzt. Die Feder ist sehr fein und der Halter läßt sich für entsprechende Aufgaben auch gut einsetzen, auch schon aufgrund seines sehr guten Handlings. Die Stufe nach dem Griffstück macht mir nichts aus. Es ist aber neben dem Design der Deal Braker bei diesem Halter, wenn man vom Preis absieht. Der Pumpkonverter arbeitet tadellos. Die Tinte trocknet auch nicht aus, wenn man den Halter nicht verwendet.

 

PROS

Material- und Verarbeitungsqualität

Wirklich feine Feder im Angebot

Tintenleiter einschl. Auslaufsicherheit

Hohe Praxistauglichkeit

 

NEGS

Eingeschränkte Federauswahl

Federschliff kann (wie bei vielen anderen Federn auch) nicht konstant sein (schwacher Tintenfluß beim horizontalen Rückzug)

Design nicht jedermanns Sache

Handling mit Stufenbildung am Griffstück kann stören

 

Gästebuch

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Kommentare: 6
  • #1

    Thomas von pens-and-freaks.de (Donnerstag, 05 Juli 2012 22:35)

    Der Bamboo atmet so richtig durch mit der Bilberry, erstaunlich, sein etwas schwächlicher horizontaler Rückstrich ist verschwunden. Er schreibt jetzt satt und dennoch sehr genau. Wunderbar. Thomas

  • #2

    pens and freaks (Montag, 30 September 2013 19:00)

    Auch mit der Sailor Blue-Black sehr gutes Schreibverhalten

  • #3

    Roland Mueller (Samstag, 13 Dezember 2014 11:37)

    Ich schwanke derzeit, mir einen Bamboo anzuschaffen. Ich habe nach langer Recherche eine Adresse gefunden, die noch einen neuen Bamboo in burgundy red auf Lager hat, dafür aber einen recht stolzen Preis einfordert: $252 plus Porto...

    Grüße aus dem Taunus
    Roland

  • #4

    pens-and-freaks (Samstag, 13 Dezember 2014 19:09)

    Hallo Roland, der Bamboo hat was, ohne Frage. Er war im eher langweiligen Pilot-Repertoire ein Lichtblick. Aber er hat auch Nachteile: Er verliert doch Tinte durch Verdunstung, was mir nicht paßt und die Federn sind nicht immer so "smooth" und haben gerne einen schwächeren Rückstrich. Im Schreibverhalten ist mir mein Custom 823 lieber, der schmaler, aber auch sehr lang ist. Heute würde ich den Custom 823 nochmal kaufen (diesmal in Smoke), weil mir die noch feinere 14-K-Goldfeder mit ihrer geringen, aber vorhandenen Teilelastizität besser gefällt. Aber ein stattlicher und schön gemachter Halter, der wenig erfolgreiche Bamboo. Dennoch: Ein sehr schöner und praxistauglicher Halter. Ich gebe zu, für das Geld (oder mehr) würde ich mir eher einen Onoto Magna kaufen. Oder eben einen anderen Pilot. Der Justus ist auch Klasse"

    VG Thomas

  • #5

    Roland Müller (Mittwoch, 14 Januar 2015 22:27)

    Hm, an den Justus habe ich allerdings auch schon gedacht... ;-)

    mfG Roland

  • #6

    pens-and-freaks (Mittwoch, 14 Januar 2015 23:21)

    ... oder der Pilot Custom 742 aus Japan.

    VG Thomas