Lamy accent – ein Erfahrungsbericht

Hier sieht man "Nib Creep" an der Feder (Kriechen der Tinte durch den Tintenleiter)
Hier sieht man "Nib Creep" an der Feder (Kriechen der Tinte durch den Tintenleiter)

 

In „Scriptum“ 4/98 wurde Dr. Manfred Lamy interviewt und zum Accent befragt, der damals neu auf dem Markt war. Er sagte damals:

 

„Für mich ist er Lamy Accent nicht postmodern. Wir Menschen wollen heutzutage etwas Wertiges, und das Design muß nicht immer so spröde und emotionslos sein. Nehmen Sie zum Beispiel die accent-Variante in Nickel-Palladium mit einem Griffteil aus Birnbaumholz. Das ist eine Freude fürs Auge, das hat man gerne um sich und faßt es gerne an. Ich lasse es nicht gelten, daß am Bauhausstil orientierte Produkte immer puristisch, reduziert und unsinnlich sein sollen. Das ist doch alles relativ: Im Vergleich zu anderen, überladenen Produkten ist das, was wir mit dem accent gemacht haben, minimalistisch ...!

 

Einleitung:

 

Der accent kam in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in den Handel. Damals gab es noch den Persona, den Lady und – fast als Mauerblümchen – bei den hochwertigen Serien den 2000. Wie sich die Sache doch gewandelt hat.

 

Schon in der Zeit hatte ich überlegt, mir einen accent mit B-Feder zu kaufen. Im Fachhandel, ich hatte einen Gutschein, hat man mir dann nach langem Anlauf auch noch das falsche Modell besorgt. So wurde nichts aus dem accent, damals.

 

Warum heute einen accent?

 

Wenn ich also heute den accent vorstelle, dann sicherlich nicht, weil es eine noch unbekannte Novität ist, sondern weil es vielmehr ein ganz braver, hochwertiger Füllhalter der moderaten Preisklasse ist. Und er kommt in Frage, wenn man einfach ein Schreibgerät sucht. Und eigentlich nicht mehr.

 

Mein accent und Varianten:

 

Meinen accent Palladium Modell 95 habe ich mir schließlich erst im April 2010 gekauft, ursprünglich mit einer EF- und einer 1,1-mm-Feder (mit entsprechendem Vorderteil). Das Griffstück besteht aus Kautschuk. Alternativ gibt es ein Griffstück aus Aluminium, blau eloxiert. Daneben wird die Variante accent black angeboten mit Aluminium-Griffstück und Palladium-Finish.

 

Auf die Variante accent brillant mit 14-K-Goldfeder möchte ich zunächst nicht eingehen. Unter lamy.de können die Varianten angeschaut werden.

 

„Umgehen des Fahrzeuges“:

 

Das Palladium-Finish ist ja eine bei Lamy in den letzten Jahrzehnten typische Oberfläche. Sie ist glatt und kotrastiert gut mit dem Kautschuk-Griffstück und dem fremdgefederten Hochglanz-Clip.

 

„Einsteigen und Zündung einschalten“:

 

Die kurze Schraubkappe mit dem kurzen Gewinde öffnet und schließt einfach, leicht und sicher. Man darf nur nicht die Kappe mit Schmackes festknallen. Dann reißt der Kunststoff am Vorderteil. Es wackelt nichts. Die bekannte Edelstahlfeder ist wohlbekannt. Sie wird auf den Tintenleiter aufgesteckt. Das zweite Vorderteil wird einfach stattdessen montiert. Schraubt man den Corpus ab, dann fällt einem das bekanntermaßen auswechselbare Griffstück entgegen, alles einfach und sicher gemacht, nichts wackelt. Nach dem Auseinanderschrauben gibt es die Kappe, das Vorderteil, das Griffstück und den Corpus. Jetzt kann man eine Lamy-Patrone oder einen Konverter einsetzen. Dieser ist sehr preisgünstig und wird nicht mitgeliefert. Man achte beim Nachkauf auf das richtige Konvertermodell von Lamy. Der Dreh-Konverter ist nichts Besonderes und funktioniert, wie er soll.

 

„Road-Test“:

 

Für mich liegt der nicht sehr lange Halter mit seinem knubbeligen, weichen Griffstück optimal ausbalanciert in der Hand. Dr. Lamy hat nicht zuviel versprochen. Es ist ein absoluter Handschmeichler. Das Palladium ist glatt, kühl und – das darf ich vorwegnehmen – sehr haltbar. Die Kappe kann man, wenn man möchte, sicher aufstecken. Die Balance gefällt mir ohne Kappe besser.

 

Der fremdgefederte Clip faßt nur sehr soft und erlaubt keinen absolut sicheren, wenn auch schonenden Griff z. B. in einer Hemdentasche. Leider hat man dies bis heute nicht verbessert.

 

Die Edelstahlfedern machen den bekannten Eindruck. Die doch recht feine EF-Feder ist wirklich brauchbar, nicht dicklich, aber auch nicht überaus komfortabel. Zu Beginn schöner Strich, minimal kratzig, wie eine feine Feder ja doch gerne ist. Aber alles ausreichend komfortabel. Leider stellte ich fest, daß der Tintenfluß nachließ, das galt auch für die Kalligraphie-Feder, die im Verlauf auch häufig nicht sofort anschrieb und auch aussetze. Auch die Tintenleiter bzw. Griffstücke waren natürlich auch gewechselt worden.

 

Später konnte ich die Schreibleistung mit dem technisch vergleichbaren Studio 065 vergleichen, der, auch mit der identischen Feder, viel gleichmäßiger und besser schrieb. Zwischenzeitlich hatte Lamy auch die Federschenkel gerichtet, aber das Endergebnis blieb. Lamy konnte mir das auch nicht erklären. In der Folgezeit war auch noch die Feder getauscht worden. Der Lamy-Service war vorbildlich freundlich, schnell und hilfsbereit, wie immer. Aber der accent blieb eine harte Nuß.

 

„Fine Tuning“:

 

Schließlich habe ich mir letztes Jahr die 14-K-EF-Goldfeder geleistet. Sie schreibt deutlich breiter, kratzte aber. Im Service entschloß man sich zum Tausch, während in solchen Fällen Lamy, mit Erfolg, auch nur die Federschenkel richten muß. Nun hatte ich eine saftige Feder, die aber auch den nachlassenden Tintenfluß hatte. Während der Konverter in einem Studio einwandfrei lief, funktionierte das beim accent nicht. „Manchmal klappt das mit den Konvertern bei diesen Tintenleitern nicht so gut“, ja auch Herr Günther hatte kein Patentrezept. „Aber nehmen Sie doch mal die Patronen“. Die Lamy blau gefiel mir vom Fluß und der Farbe nicht so, schließlich habe ich die Parker blau genommen und eine geleerte Lamy-Patrone damit gefüllt. Nadel, Spritze, naja, es ist ja mein Beruf ...

 

Damit klappt es jetzt wirklich gut. Warum das alles so lange gebraucht hat, ich weiß es nicht. Jetzt wird nicht mehr experimentiert, die Parker blau bleibt und fertig. Bei sehr schnellen Strichen kommt es mal vor, daß der lange gezogene Strich aussetzt, merkwürdig. Beim normalen, auch schnellen Schreiben aber saftiger, guter Fluß. Die Feder ist auch ein bißchen in den Federschenkeln elastisch. Insgesamt habe ich mit der wunderschönen Goldfeder (Platinierung und dem zarten Goldstrich am Federschlitz entlang) ein sehr gutes Schreibgefühl. Die EF-Edelstahlfedern, die ich auch in mehreren Studio einsetze, zeigen nicht den Oberklasseeindruck.

 

Zusammenfassung:

 

Der Lamy accent bleibt auch nach ca. 15 Jahren eine Besonderheit im Füllhalterbereich. Lamy hatte sich sicherlich anfänglich sehr viel von den Wechselmöglichkeiten der Griffstücke versprochen und das auch beworben. Die Holzvarianten von früher gibt es nicht mehr, man hat sich mit den aktuellen Varianten offenbar zufriedengegeben. Standardmäßig werden die Goldfedern in den brillant-Varianten angeboten, die Palladium-Variante z. B. schon beim Kauf mit der Goldfeder zu kombinieren, ist aber eine Kleinigkeit. Für mich hat sich das „Update“ gelohnt.

 

Bei aller vorübergehender Zickigkeit der Feder und des Tintenflusses ist der accent zu einem täglichen Begleiter geworden. Auch auf Fortbildungen mit Kappe auf und zu, kurze Notiz etc. nehme ich ihn gerne mit. Hinzu kommt, daß er klassenlos und völlig unauffällig ist. In der Hand liegt er für mich perfekt, die nicht optimale Clip-Haftung ist mein einzig verbliebener Kritikpunkt. Wenn man eine feinere Feder haben möchte, müßte man Lamy bitten, ein sehr feines Exemplar aus der Serie herauszusuchen. Der sehr gute Service ist ein zusätzliches Argument.

 

„... das Design muß nicht immer so spröde und emotionslos sein“ sagte damals Dr. Lamy. Auch wenn der accent in seiner Gesamterscheinung heute nicht mehr im Mittelpunkt des modernen Lamy-Programmes steht, ein gutes und zuverlässiges Werkzeug zum Schreiben ist er geblieben.

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Ronny (Freitag, 22 Juni 2012 21:51)

    Hallo Thomas!

    Ein sehr schöner Erfahrungsbericht.

    Auch ich nutzte einen Lamy Accent viele Jahre als Alltagsschreibgerät. Es war ja auch mein einziger Füllhalter und ich noch fern von meiner jetzigen Sammlerfreude.

    Ich hatte mir im Jahr 2000 eher aus einer Laune heraus in der Mittagspause diesen Füllfederhalter im Schreibwarengeschäft um die Ecke gekauft. Nach ein paar Jahren der Kugelschreibernutzung wollte ich wieder diese wunderbare Schreibgefühl, dass ich von den Füllfedern während meiner Schulzeit kannte.

    Ich entschied mich für eine B-Feder. Und diese Wahl habe ich nicht bereut. Von Anfang an schrieb er wunderbar und machte keinerlei Probleme. Weder mit Konverter, noch mit meinen Alltagspatronen, Blau von Lamy. Und so blieb er über 8 Jahre mein einziger Füllfederhalter.

    Leider kam mir diser Federhlater abhanden. Und als Ersatz ein Waterman. Und damit begann auch meine Sammelfreude.

    Aber vor zwei Monaten kaufte ich mir wieder einen Lamy Accent, wieder mit blauem Griffstück, aber mit OB-Stahlfeder. Diese ist mit leider auf einigen Papieren (gerade im Büro) zu breit und wird noch gegen eine OM ersetzt. Aber der Accent ist wieder in meinem Mäppchen meiner drei Alltagsfüller.

    Ich empfehle ihm jeden, der einen praktischen, unkomplizierten und wertigen Alltagsfüllhalter sucht. Deinem Schlusssatz kann ich mich nur anschließen.

    Viele Grüße

    Ronny

  • #2

    Thomas (Freitag, 22 Juni 2012 22:51)

    Hallo Ronny,
    vielen Dank für Deine Informationen. Ein Erfahrungsbericht wird erst durch Kommentare rund.
    Ergänzen möchte ich noch, daß der Accent in den letzten Wochen mit der Pelikan Edelstein Tanzanite läuft und damit äußerst gut zurecht kommt. Die merkwürdigen Tintenflußprobleme bei manchen Tinten kommen hier in keiner Weise vor. Wie gesagt, Lamy kennt das und weiß auch nicht so recht, warum. Meine EF-Goldfeder ist wunderschön und es wertet den Accent optisch sehr auf. Denn der Accent ist auf jeden Fall ein hochwertiges Schreibgerät für den täglichen, sicherlich jahrzehntelangen Einsatz. Auch die Oberfläche ist haltbar. Gegenüber dem Studio gefällt mit immer ausnehmend gut das Handling mit dem "Knubbelgriffstück". Ausgesprochen fein ist die Feder nicht und sie hat immer noch ein leichtes Kratzen, wenn die Feder nicht minimal nach rechts rotiert wird. Die EF-Stahlfedern sind viel feiner. Das kennt man ja auch z. B. von Pelikan. Im Flußverhalten, wenn der Accent denn fließt (siehe oben), ist die Goldfeder, zumindest meine, saftiger und daher ist eine Goldfeder schon eine Option.
    Bei Lamy muß man aber, wie auch bei anderen Herstellern, berücksichtigen, daß mehr Handarbeit auch bedeutet mehr Serienschwankungen. Auf der anderen Seite bedeutet das auch mehr Individualität.
    Ich möchte im Verlauf schon versuchen, die üblichen Füller mit der Zeit zu erarbeiten und vorzustellen, um auch eine Datenbank anzubieten für Interessierte. Dabei sind gerade die Alltagsfüller wie der Accent immer eine Option.

    Sehr gerne auch Berichte von interessierten Mitlesern bei der Gelegenheit. Es gibt so viele gute Füller, die man besprechen kann.

    Ich bin da eher durch die Zeit und bislang noch durch die Kamera gehandicapt. Das Zweite wird sich wahrscheinlich deutlich verbessern lassen.

    Viele Grüße
    Thomas

  • #3

    Molly (Sonntag, 25 November 2018 13:50)

    Über zwanzig Jahre hatte ich den Lamy accent in mattschwarz mit hellbraunem Holzgriffstück, im Laufe der Jahre habe ich gebraucht immer mehr schöne Griffstücke dazugekauft. Vor ein paar Jahren habe ich die Stahlfeder F schwarz durch eine neue ersetzt, weil sie wohl runtergefallen war und dann nicht mehr flüssig schrieb. Einziger Kritikpunkt an diesem zeitlosen und robusten Füller: die Kappe hat er zweimal in einer Tasche verloren, weil das Gewinde recht kurz ist. Irgendwann habe ich ihm ein Lederetui spendiert, da ging es wieder. Vor ein paar Wochen habe ich ihn verloren, denn er war in jedem Meeting dabei. Nun habe ich das (ausverkaufte) mattschwarze Exemplar im Gebrauchthandel unbenutzt nachgekauft und bin wieder überglücklich. Die 20 Jahre Gebrauchsspuren aus gemeinsamer Zeit fehlen zwar. Aber wie gut, dass sich manche Dinge ersetzen lassen. Für mich war das der richtige Füller, obwohl ich damals (Mitte 20) gar nicht sicher war, ob er mir gefällt. Aber er ist so schlicht, dass er das bis heute tut.

  • #4

    Paf (Sonntag, 25 November 2018 16:10)

    Vielen Dank, Molly, für Deinen sehr ausdrucksvollen Kommentar. Ja, so ist es. Ein Füllhalter kann, wenn es passt, das Schreibgerät fürs Leben sein. Mein Accent in Pd-Montur trocknet immer gleich aus. Lamy hat die Ursache nie gefunden. Sehr schade, ich hatte ihn auch sehr gerne benutzt und ihm sogar eine Goldfeder spendiert. Ich kann aber die Faszination für den Accent sehr gut verstehen. Die Idee mit den auswechselbaren Griffstücken war gelungen. Ehrlich gesagt, es war der bisher letzte kreative Lamy. (Der dialog 3 ist ja so eine Sache ...).

    Vielen Dank nochmals und viele Grüße
    Thomas

  • #5

    Stefan (Samstag, 10 Dezember 2022 16:36)

    Lieber Thomas,
    also heute, um es vorwegzunehmen, ist ein Glückstag für mich!
    Was passierte: Nach einigen leidigen Erfahrungen mit Lamy - Federn, ob in Gold oder Edelstahl, wollte ich meine Lamy - Versuche eigentlich beendet haben. Leidig war, dass alle Federn, obwohl mit EF bezeichnet, so zwischen M und B ausfielen und dann teils auch noch ständig der Tintenfluss abriß. Einfach nervig, zumal das einem Pilot Preppy für 5 Euro vermutlich nie passiert...
    Aber, wie man in den Beiträgen hier und woanders lesen kann...alles alte Hüte.

    Jetzt las ich aber Deinen schönen Beitrag über den Accent, der mein Interesse weckte. Das schien mir ein Handschmeichler und für meine großen Hände geeignet zu sein. Also beim großen A. bestellt, eigentlich ohne viel Hoffnung die Feder betreffend. Und zwar die Version in Aluminium mit Achatholz Griffstück.

    Und dann das: Ich könnte begeisterter nicht sein. Ein Handschmeichler per excellence, wunderbar ausgewogen in der Hand - naja, wie Du es schreibst. Das tolle Holzgriffstück und genau das richtige Gewicht. Und jetzt kommts: Die Z- Feder der Z- Federn. Eine EF Feder, die kratzfrei nicht nur auf Clairefontaine, sondern sogar auf irgendwelchen Briefumschlägen läuft. Und in einer Stärke, die man einem Pilot zumessen würde, aber einem Lamy? Geschrieben bisher mit Lamy blau.

    Ich bin glücklich. Und das wollte ich teilen. Vielleicht fühlt sich die/der ein- oder andere ermutigt, die Suche nach einer feinen Feder doch noch nicht zu beenden.

    Ein schönes Wochenende wünscht
    Stefan

  • #6

    Pens and Freaks (Sonntag, 11 Dezember 2022 21:53)

    Danke, Stefan. Ich freue mich für Dich. Es ist erstaunlich, wie groß sogar bei den Stahlfedern die Qualität der Lamy-Federn ist. Zuletzt habe ich auch zwei 14C-Federn in EF nachgekauft, die hervorragend schreiben, aber breiter sind.
    Hoffentlich trocknet Deiner nicht aus.
    Ich habe früher mit meinem auch sehr gerne geschrieben, aber das Eintrocknen!

    Viele Grüße
    Thomas