Sailor 1911 large versus Lamy 2000, Fine

Zwei ungleiche Klassiker im Vergleich

Über den Lamy 2000 braucht man in der Zwischenzeit nicht mehr viele Worte machen. Er gilt als ein bezahlbarer moderner (!) Klassiker, der offenbar nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat. Ich habe ja hier 2012 als einen der ersten Artikel den Originalartikel eingestellt, den ich im Herbst 2003 in Penexchange veröffentlicht hatte. https://www.pens-and-freaks.com/f%C3%BCllhalter/lamy-2000/

 

In der Zwischenzeit hat es Lamy eher nicht geschafft, ein modernes Pendant mit dieser optischen Spannung und dieser Art von hochwertiger Materialverarbeitung dagegenzustellen. Der Persona war es schon in den 90ern nicht, und der imporium,. so sehr ich ihn mag (ich schreibe sogar lieber mit ihm als mit einem 2000er, ehrlich gesagt), ist ebenso ein Kuriosum. Der besondere dialog 3 hat seine technischen Tücken und die preislich günstigeren Modelle haben im Design und Material den bis vor einigen Jahren recht preiswerten 2000er nicht angreifen können. So bleibt der Lamy 2000 eigentlich das Aushängeschild von Lamy und in dieser Ausführung auch als einer der Klassiker schlechthin. Inzwischen gibt es in der laufenden Serie auch den Lamy 2000 M. Der blue Bauhaus wurde nur für 2019 angeboten, zum 30. Geburtstag hatte es eine Metallausführung, allerdings mit Sichtfenster, gegeben. Als einzig wirklich bedeutendes Update gab es ein geändertes Frontteil aus einem (Metall-) Stück, das die Dichtungsprobleme lösen konnte. Seither ist der Halter auch schwerer und besser ausbalanciert. Mir hat das auch erst mit der Zeit gefallen. Aktuell habe ich einen alten 1993er mit EF, zwei aktuelle mit F, einen B und einen 2000 M mit EF. 

 

Was macht den 2000er sonst noch aus? Auch wenn es die 40 DM wie Anfang der 80er und auch nicht mehr die 109 € wie vor einige Jahren mehr sind, man bekommt ihn auch deutlich günstiger im 130er €-Bereich, aktuell sind es Anfang 2020 offiziell 190 €, die Metallausführung liegt bei 290 €. Das ist immer noch günstiger als viele andere hochwertige Füllhalter mit Goldfeder, aber so kommen gewisse Unzulänglichkeiten auch preisklassenbezogen doch zum Vorschein. 

 

Überragend bleiben einzigartiges Design, hervorragende Passungen zwischen den verschiedenen Corpus-Teilen, bei denen die Übergänge zwischen Edelstahl und glasfaserverstärktem Makrolon (R) und auch der Füllknopf praktisch nicht zu erkennen oder zu fühlen sind. Die Implementierung des durchaus praktikablen Sichtfensters ist ebenso nahtlos wunderbar gelungen (kein Sichtfenster im 2000 M). Das Material ist dauerhaft und reißt nicht. Der massive Edelstahlmetall-Clip mit seiner dauerhaften Fremdfederung ist ebenso sicher wie das Kunststoff-Kolbenfüllsystem. Auch die versteckten Detail wie Firmenname und "Germany" auf dem Clip zeugen vor viel gestalterischem Gespür.

 

Nun die Negativa: Die Kappe sitzt häufig sehr fest, wird aber im Gebrauch immer lockerer, geht aber normalerweise nicht auf. In der Kappe ist die Metallspange zur Arretierung gegen die zwei MetallHäkchen doch eine Bastelarbeit. Dass ddas Kunststoffmaterial immer glänzender im Gebrauch wird, hat offenbar noch keinen gestört. Der Hersteller wird auf Wunsch die Kappenarretierung nachjustieren und kann auch kurzfristig erfolgreich die Mattierung des Gehäuses reaktivieren. Er wird wahrscheinlich auch nichts dafür verlangen. Lamy ist stolz auf seinen 2000er, der den Mythos Lamy ja begründet. hat. Man kann die Kappe aufsetzen, sie hält auch gut, aber die meisten werden ihn eher ohne aufgesteckte Kappe verwenden.

 

Die kleine Feder, die man bereits zusammen mit dem Tintenleiter Tintomatic bereits mit dem ersten Lamy, dem Lamy 27 1952 eingeführt hat, ist in seiner Führung nicht für jeden praktisch. Auch der geringe Sweet Spot gerade bei den EF ist da nicht optimal. Die feinen Federn kratzen gerne, die breiteren haben gerne Baby´s Bottom-Effekte und quietschen häufig auch. Die OM und OB sind wie bereits die M doch recht breit. Zudem haben diese Schrägfeder einen Kugelspitzen-Charakter und wenig Strichvariation, Das hält Lamy aber für richtig. Immer wieder wird wie beim Makrolon (R) (ein einfacher Thermoplast-Spritzkunststoff) auch die hohe Klasse des Tintenleiters hervorgerufen. Zunächst ist das Makrolon (R) glasfaserverstärkt, Makrolon (R) als solches ist ein wirklich einfacher, zäher, aber in der Oberfläche weicher und mehr oder weniger rasch unschöner Kunststoff. Also eigentlich nur in dieser Verbindung etwas Besonderes. Das Tintenleitsystem ist sicherlich gut, es kann aber auch temperaturabhängig oder im Flugzeug auch mal zu austretender Tinte auf den vorderen Griffstückbereich kommen. Der oft zu kritisierende Federschliff bei fast allen Breiten und die große Variation in der Strichstärke z. B. bei den F führt dann gerne zu Tintenflussproblemen, die die Leistung des guten Tintenleiters dann einschränken. Prinzipiell schreibt der 2000er mit normal gesättigten Tinten und sogar mit der trockenen Lamy blau recht gut. Mit übersättigten Tinten wird in der Regel zuviel des Guten getan.

 

Zusammenfassung: Der Lamy 2000 ist ein einzigartiger Füller, der in den 60ern den klassischen Kolbenfüllhalter ganz neu interpretiert hat. Das Design des inzwischen verstorbenen Gerd A. Müller ist bis heute reizvoll und wirkt nicht altmodisch. Kleine bzw. teilverdeckte Federn gefallen und lassen sich gut schreiben oder man hat damit seine Probleme. Auch die beiden Haken zwischen Metallgriffstück und Corpus zur Fixierung der Steckkappe stören im Gegensatz zu mir so manchen. Viele finden aber das Handling dieses weder großen noch kleinen Füllhalters gut, das Kolbenfüllsystem ist praktisch und sehr robust trotz einfacher Bauweise. Die Federn schwanken in Qualität und Ausführung erheblich, was an sich nicht akzeptabel ist. Die Dauerhaftigkeit stören höchstens die meist lockerer werdende, weil sehr einfach gemachte Kappenfixierung und in Einezlfällen die Abdichtung zwischen Griffstück und Corpus. Hier kann evtl. ein einfacher Dichtring ausgetauscht werden. Bezüglich Kulanz auch nach vielen Jahren und in der schnellen Abwicklung ist Lamy vorbildlich. Die rhodinierte 14K-Goldfeder ist normalerweise dauerhaft, mechanische Probleme sind auch nach Jahrzehnten nicht zu fürchten. Ein Mangel in der Plattierung bei einem Exemplar zu Beginn wurde durch Federtausch dauerhaft beseitigt. Die Metallausführung ist sehr schwer und zeigt dadurch ein globigeres Handling, den im abgedrehten Zustand wackelige Füllgriff muss man hinnehmen. 

 

Dem gegenüber steht nun ein wirklich klassischer Füllhalter in Design und Machart, der Sailor 1911 Large, der mit Recht als einer der besten japanischen Füllhalter gilt:


Der Sailor 1911 wird in zwei Ausführungen angeboten, das Modell Large ist sozusagen das wirklich erwachsene Modell ohne Einschränkungen. Neben verschiedenen LE, gerade auch für die USA, sind die Ausführungen in Schwarz und Maroon (rötlich-braunes Bordeaux) klassisch und das schwarze Modell gibt es auch in rhodinierter Ausführung, als Black Luster (siehe frühere Vorstellung) und auch inzwischen als Simply Black mit geänderter Kappe ohne Kappenring. Seit vielen Jahren wird eine Variante Realo mit einem Kolbenfüllsystem angeboten in Schwarz und Maroon. Die Federn sind aus 21K-Gold, also im Goldgehalt die wertigsten Federn am Markt. 

 

Ohne Zweifel ist der 1911 L (wie er meist genannt wird) mit dem Montblanc Meisterstück 146 verwechselbar. Der 146 war zuerst da. Das wird dem seit Jahrzehnten produzierten Sailor gerne übel genommen und bis vor einiger Zeit wurden diese Modelle auch nicht in Deutschland angeboten. Es gibt aber viele Möglichkeiten, diese Modelle in Großbritannien, in den Niederlanden oder auch in Japan zu beziehen. Dann sind auch die 295 € für das Modell mit Konverter oder 395 € als Realo zu unterbieten. Aber auch für den Normalpreis bekommt man viel für sein Geld.

 

Prinzipiell gibt es eine große Federauswahl in EF, F, M, B, Zoom, Music (einkanalig). Die Federn sind rigide. Auffällig ist die prinzipiell sehr hohe mögliche Schreibqualität und das meist hervorragende Zusammenspiel mit dem an sich üblichen Spritzkunststoff-Tintenleiter. Die Federaggregate können leicht herausgezogen und die Federn rejustiert werden. Durch ihre sehr robuste Konstruktion und den hohen Goldgehalt sind die Federn sehr haltbar und die nicht-rhodinierten verfärben (im Gegensatz zu manchen 14K-Federn wie z. B. bei Montblanc) auch nicht. Die Ausführung ist in jeder Hinsicht seht gut und dauerhaft, die Gravuren tief und attraktiv. Aus rechtlichen Gründen sind die Kappenringe als Doppelring ausgeführt. Die Konverter sind einfach,, können aber gut zerlegt, gereinigt und mit Silikon "gefettet" werden. Die Kappen sind sehr dicht und drehen sich gegen einen Gummiring fest. Das gilt genauso für die Fixierung des Corpus am Griffstück. Der eigengefederte Clip, der dem Montblanc sehr ähnlich sieht, ist sehr solide und praktisch. Die Goldauflagen sind  hochwertig und sicherlich sehr haltbar.

 

Nun zu den Negativa: Bei neuen Exemplaren fällt mir auf, dass manchen Kappen beim Festdrehen sich offenbar im Gewinde etwas schräg verdrehen können, so dass am Ende des Festdrehens die Kappe gegen den Corpus leicht "schnappt". Besser kann ich es nicht erklären. Ältere Modelle haben das überhaupt nicht. Die Gewinde selber setzen absolut sauber ohne jegliches Haken an. Die Federn sind durchaus von recht unterscheidlicher Ausführung bei allern prinzipieller Hochwertigkeit. Ich habe einige F-Federn, die alle unterschiedlich schreiben. Nicht so selten ist es, dass manche Federn teilelastisch sind und manche schreiben auch schwach beim horizontalen Rückstrich, dabei kratzen sie meist auch mehr oder weniger. Ist das nicht so, so ist der Tintenfluss meist genau richtig und die Federn kommen auch mit normal gesättigten Tinten zurecht. Einige Modelle haben aber auch einen moderateren Tintenfluss. Das hier vorgestellte Exemplar kommt erst mit der fließfreudigen (etwas breiter laufenden) Diamine Midnight sehr gut zurecht. Selbst mit der fließfreudigen Sailor Jentle Blue war es nicht so gut. Die Realo-Modelle können eine nicht ganz optimale Verbindung von Griffstück und Corpus haben und sich das Griffstück leicht bewegen. Bei einem Montblanc wäre das unvorstellbar. Das Kunststoffmaterial ist hochwertig und wirkt fast so porzellanartig wie bei einem Meisterstück. Ich persönlich halte die Federaggregate bei Sailor für etwas leistungsfähiger. Aber das kann auch Geschmackssache sein und sich im Einzelfall unterscheiden.

 

Zusammenfassung: Der Sailor 1911 L ist in seinen Werten ein äußerst guter und dauerhafter Füllhalter, der im Preis durchaus attraktiv ist. Das Design orientiert sich haargenau am Montblanc Meisterstück 146 und das könnte man ihm übel nehmen. Ansonsten zeigt bei aller Variation in der Federfertigung, die nicht zu loben ist, dass Sailor einer der besten Hersteller hochwertiger Schreibgeräte ist und man sicherlich dauerhaft Freunde an diesen Schreibgeräten haben kann, zumal man von sehr feinen Federn (nicht so fein wie bei Platinum) bis zu japanischen Spezialfedern alles prinzipiell bekommen kann. Beim Service muss man sich an den hiesigen Service oder den Verkäufer halten, normalerweise dürfte es über die Frühphase hinaus (Feder, Knacken des Griffstückes beim Realo) nicht zu Problemen kümmern. Dazu ist die Konstruktion zu konservativ und solide. 


Dies war nun eine Gegenüberstellung zweier nur schwer vergleichbarer hochwertiger Füllhalter, deren Gesamtkonstruktion jeder auf seine Weise den Interessenten überzeugen kann. Bei beiden bekommt man prinzipiell eine praxisgerechte Konstruktion, die bei anständiger Behandlung ein Leben lang als ständiger Begleiter dienen kann. Insofern darf man beiden Traditionsfirmen alles Gute wünschen!

 

Ich hoffe, diese praxisorientierte Gegenüberstellung hat euch gefallen. 

 

Viele Grüße, Euer Thomas

 

30.1.2020



Ergänzung zum den Kommentaren #3 und 4:

 

 


Alle vier Sailor haben eine 21K-Goldfeder und F:

Der Black Luster schreibt mit einer Patrone Sailor Jentle Ink Blue.

Der Realo ist mit der Waterman Serenity gefüllt und kommt mir ihr bestens zurecht. Man sieht die geringere Sättigung und die geringere Strichstärke.

Der Pro Gear ist gerade frisch gefüllt, sonst dürfte die Strichstärke mit dem 1911 L darunter identisch sein, beide haben die Diamine Midnight.

Im Scan sehen die Tinten Sailor Blue und Diamine Midnight recht ähnlich aus, aber die Sailor ist heller und hat Grünanteile. Sie wirkt viel "schmutziger".

Die Diamine kompensiert beim 1911 L seine Fließprobleme mit anderen Tinten (auch Sailor Blue und Blue-Black) und erreicht hiermit ein sehr gutes Ergebnis.

Der Pro Gear hat leider die recht typischen, schliffbedingten Fehler im horizonalen Rückstrich. Mit dieser Tinte wird das gut kompensiert. 

Ohne Füllen des Halters (kein Eintunken) wird man das selbst im Laden nicht sofort erkennen. Die hier vorgestellen Halter 1-3 sind ohne vorheriges Testen alle aus Japan zugeschickt über verschiedene Anbieter, Halter 4 stammt aus England.


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Kommentare: 4
  • #1

    Uwe Steinmann (Freitag, 31 Januar 2020 16:03)

    Wow, wieder ein Bericht mit so viel Liebe zum Detail! Es ist immer wieder eine Freude, das zu lesen! Und diesmal ist es auch ein sehr interessanter Vergleich so verschiedener Füller!

    Ja, der gute Lamy 2000! Ich mag ihn auch sehr gerne und möchte deine Ausführungen voll unterschreiben! Mit der Kappe hatte ich bisher allerdings keine Probleme. Auch mit der F-Feder hatte ich Glück, kein Kratzen und guter Fluss. - Nach dem Kennenlernen der japanischen Federn war mir die Lamy-Feder dann allerdings zu breit. Der Lamy-Kundenservice (kulant, wie man ihn kennt) hat die Feder dann kostenlos gegen eine EF-Feder getauscht (nach 2 Jahren!). Leider schreibt die genau so wie die F-Feder: gut, aber nicht feiner, so dass ich nicht sicher war, ob wirklich ein Tausch vorgenommen wurde (was ich aber doch annehme!). Ich verwende den Füller jetzt nur noch selten, aber wegen seines schönen und eigenständigen Designs liebe ich ihn trotzdem! - Dem Design der neueren höherpreisigen Lamy-Füller kann ich leider überhaupt nichts abgewinnen. Und bei den günstigeren Modellen kommen mir (als ehemaligen Lamy-Fan über viele Jahre) die Tränen. Man denke nur an den Aion, bei dem die wackelige Kappe nur mit großer Konzentration aufgesetzt werden kann, ohne sie zu verhaken – und diese vergrößerte Feder, die einfach auf den unveränderten, dafür zu kleinen Tintenleiter platziert wurde. Hier wurde ausschließlich auf das Design geachtet; darüber hinaus ist es das m. E. von der Qualität schlechteste Lamy-Produkt seit vielen Jahren.

    Ja, die Sailor-Federn sind ein Traum! Ich habe das Glück, dass es in unserer Stadt ein Schreibwarengeschäft gibt, dass Füllhalter von Sailor führt und man auch Schriftproben machen darf. Deshalb kann ich deinen Bericht über die unterschiedlichen Ausführungen der Federn voll bestätigen. Ich war sehr froh, mir die beste Feder aussuchen zu können! Es wurde dann zwar kein 1911 L, sondern ein Pro Gear mit F-Feder (der gleiche, den du hier auch schon mal vorgestellt hast). Ich bin damit sehr glücklich und benutze ihn seit langem täglich für das „Viel-Schreiben“ (neben dem Platinum Century 3776 mit EF-Feder, den ich dank seiner extrem feinen Feder gerne für sehr kleine Eintragungen, z. B. im Kalender, benutze). - Als Fan der feinen und sehr feinen Federn kommt man irgendwie um die japanischen Hersteller wohl nicht herum.

    In diesem Sinne: deine „praxisorientierte Gegenüberstellung“ hat mir sehr gefallen! Vielen Dank!

    Gruß, Uwe

  • #2

    Pens and Freaks (Freitag, 31 Januar 2020 21:23)

    Dankeschön, Uwe. Der Lamy 2000 ist einer der beliebtesten Füllhalter mit Goldfeder und Kolbenfüllsystem. Trotz seines inzwischen sehr hohen Bekanntheitsgrades werden viele Eigenschaften nahezu abgeschrieben und werden dem Füllhalter nicht immer gerecht, manches wird dabei überhöht und Schwächen übersehen. Das kann auch zu Frust führen, wenn der Halter letztlich nicht "passt". Und das ist durchaus öfters der Fall. Ich sehe es wie Du, die Sympathie für den Meilenstein des modernen Füllhalters (immerhin schon über 50 Jahre alt!) ist auch bei mir genauso wie 1994, als ich den ersten 2000er geschenkt bekam.

    Der Sailor und andere vergleichbare Japaner werden hier nicht so häufig oder gut kommentiert. Das liegt am gewöhnlichen Design und vor allem auch an der Nähe zum Meisterstück. Das nimmt man solchen Füllhaltern gerne übel. Dennoch kauft man sich solche Halter, wie eben die Sailor 1911L, wegen der besonderen Schreibeigenschaften. Und Du hast wiederum recht. Bei feinen und sehr feinen Federn kommt man an den Japanern sicherlich nicht vorbei. Ich selber schreibe in meinen Kalender mit einem Platinum 3776 Century Chartres Bleu, UEF (ultra extrafine point).

    Vielen Dank nochmals für Deinen freundlichen Kommentar mit den vielen Ergänzungen. Thomas

  • #3

    Alfred. (Samstag, 01 Februar 2020 12:27)

    Da möchte ich dich zu dieser wirklich feinen Gegenüberstellung gratulieren!
    Das ist wirklich immer wieder schön bei Ihnen zu beobachten, mit welchem Gespür Sie uns Detail einsteigen und dabei aber niemals den größeren Gesamtzusammenhang aus den Augen verlieren. Vermutlich ist Ihnen Ihr Beruf als Arzt zusätzlich dabei behilflich, ein Hindernis wird er allemal dabei nicht sein. (Aber das ist auch, nebenbei bemerkt, diese größere Erfassung des Bildes was man sich für die Zukunft unserer Gesellschaft gegenüber ihrer Umwelt wünschen würde).

    Mit Ihrer Hervorhebung des erheblichen Beitrags der Feder zur Gesamtleistung des Schreibers haben Sie natürlich Recht. Man sieht ja schon an den einfachen Schulfüllern, was hier ein Wechsel allein dieser sensiblen Komponente auf die Einheit Federhalter für Auswirkungen haben kann - da ist es mitunter, als schreibe man mit einem ganz anderen Gerät bei sonst völlig übereinstimmender Konfiguration.

    Nun aber meine Fragen. Jemand, dessen Halter ausgerechnet mit seiner Lieblingstinte perfekt harmoniert , ungeachtet möglicher sonstiger Inkompatibilitäten oder Unverträglichkeiten - hätte der nicht ein Recht zu sagen, es sei der beste Schreiber seiner Sammlung?
    Deshalb: Inwiefern haben Sie hier Eindrücke bzw. Stichproben sammeln können? Geht der Sailor mit mehr Tinten zusammen, von denen die Sie ausprobiert haben, als der 2000? Und wie bewältigt er die hochgesättigten Vertreter? Kommt es hier ebenfalls zu einem überreichlichen Ausdruck?
    Für die Halter mit Ebonit-Leiter soll ähnliches ja wie ich es verstand häufig auch gelten - sie seien eben auf satten Fluss ausgelegt - daher man in der Auslaufsicherheit Kompromisse eingehen müsse.

    Haben Sie wie immer besten Dank für die Beseitigung meiner Unklarheiten.

    grüssend Alfred.

  • #4

    Pens and Freaks (Samstag, 01 Februar 2020 16:25)

    Hallo Alfred (aber bitte Du sagen),

    vielen Dank für den Kommentar und die Fragen.

    "Vermutlich ist Ihnen Ihr Beruf als Arzt zusätzlich dabei behilflich": Das kann man schon trennen. Zu tun hat das damit, dass ich mich seit 1988 mit dieser Sache näher beschäftige und auch einen Bezug habe zur Lehre und Schulbildung. Man muss aber über den Dingen stehen und z. B. auch den Vorteil analag und digital gegeneinander abwägen können. In der heutigen Zeit ist leider die Schwarzweiß-Malerei auf dem stetigen Vormarsch. "Fakten-Check" und solcher Unsinn. Und denke an die stetig wachsende Zahl der sogenannten Influencer. Das was ich hier mache, ist ja das bewusste Gegenteil! Daher ohne Videos, daher ohne Einflussnahme von Firmen usw.

    "hätte der nicht ein Recht zu sagen, es sei der beste Schreiber seiner Sammlung?": Ja, jeder darf es nennen, wie er will. Daher sind Vorstellungen von Füllhaltern auch keine Tests und Punktevergaben Zeichen von fehlender Kenntnis. Entweder ist die Punktevergabe rein subjektiv oder sie kann vom Einzelfall nicht auf eine prinzipielle Qualität übertragen werden. Sicher kann man in Kenntnis vieler Exemplare eines Modells (und verschiedener Federbreiten!) und ausreichend lange Erfahrung eine gute Einschätzung treffen. Aber ein gutes Exemplar bei riesiger Streuung heißt auch für den einzelnen Anwender: das ist mein Liebling!

    "Geht der Sailor mit mehr Tinten zusammen, von denen die Sie ausprobiert haben, als der 2000?": Klare Antwort, nein. Der Tintenfluss (Konstanz in allen Ebenen, Fließstärke durch den Tintenschlitz) ist bei den Sailor nicht konstant, deutlich unberechenbarer als bei den 3776-Platinum (bei den President-Federn ist das wiederum viel problematischer!). Daher differiert das deutlich. Und somit kommt eine Feder mit Waterman Serenity Blue bestens zurecht oder man muss zur hochgesättigten Diamine-Tinte greifen (Vorsicht! Neuere Diamine sind teils deutlich weniger gesättigt). Egal ist das alles nicht, aber evtl. muss man sich da mit der Tinte anpassen. Prinzipiell sollte ein Füllhalter mit normal gesättigten Tinten auskommen. Gerade auch, um die Strichstärke nicht zu breit werden zu lassen, was bei höher gesättigten Tinten meist der Fall ist. Aber warum sollte Sailor nicht per se auf die eigenen, höher gesättigten Tinten die Federn justieren?
    Der Tintenfluss der Lamy ist konstanter und schon auf die Lamy blau ausgerichtet, die eine der trockensten Mittelblau-Tinten ist. Dafür ist der Federschliff bei den 2000er-Federn häufig nicht ideal und vielfach auch viel zu breit.

    "Kommt es hier ebenfalls zu einem überreichlichen Ausdruck?: Kann vorkommen. Es kommt dann schon auf das Fließverhalten der Tinte an, das kann sehr unterschiedlich sein! Daher kommt man im Einzelfall nicht darum herum, Tinten auszuprobieren. Auf meiner Seite z. B. gibt es ja genügend Informationen. Bei FPN z. B. muss man schon sehen, dass die sogenannten Tester Dinge wie Fließbreite nicht richtig berücksichtigen. Aber die Farge als solches kann man meist recht gut abschätzen.

    "Für die Halter mit Ebonit-Leiter soll ähnliches ja wie ich es verstand häufig auch gelten - sie seien eben auf satten Fluss ausgelegt - daher man in der Auslaufsicherheit Kompromisse eingehen müsse." Nein, das gilt nicht mehr für moderne Ebonit-Tintenleiter, wie sie z. B. Aurora verwendet. Man bekommt sie z. B. auch bei Wancher auf Wunsch und ich ziehe die bei den Wancher-Füllhaltern auch vor. Ein Aurora ist nicht weniger auslaufsicher als ein Spritzkunststoff-Tintenleiter. Bei aktuellen flexiblen Federn ist aber ein Ebonit-Tintenleiter möglicherweise doch von Vorteil, das "Railroading" kann eher vermieden werden. Montblanc schafft es ja beim Montblanc Meisterstück Calligraphy 149 Flex.

    "Haben Sie wie immer besten Dank für die Beseitigung meiner Unklarheiten.": Vielen Dank, Alfred für diese sehr interessanten Fragen, die, wie ich weiß, sehr gerne von den Lesern zur Kenntnis genommen werden, auch wenn da wenige Kommentare dazu schreiben.

    Letztlich ist das Schreiben mit Tinte ein Kulturgut, das in keinem Fall der Inkompetenz des Bildungssystems geopfert werden darf. Aber hier ist man ja mit Druckschrift und Digitalisierung schon auf dem falschen Dampfer. Denn das Erlernen einer verbundenen Schrift (um Gottes Willen nicht der Vereinfachten Schreibschrift!!!) mit einem Tintenschreiber einschließlich Schönschreibübungen sind ein unverzichtbarer Baustein in der Grundschule. Leider meint man in Deutschland nach wie vor, dass Digitalisierung nur irgendetwas mit Qualität schon prinzipiell zu tun hat. Schreiben lernen, Bücher lesen, Kreidetafeln einsetzen, aktives Erarbeiten von Inhalten und kein Multiple-Choice usw. sind essentielle Bestandteile einer guten Schulbildung. Insofern hängt dieses kleine Thema Schreiben mit Füllfederhaltern mit Bildung und Kultur zusammen.

    Viele Grüße
    Thomas