Der STIPULA VENTIDUE („22“) — ein Erfahrungsbericht

Stipula 22 in Grau und Champagner mit der Titan-Feder
Stipula 22 in Grau und Champagner mit der Titan-Feder

 

Anbei bringe ich einen etwas angegrauten Erfahrungsbericht über einen Meilenstein, den ersten Titanfeder-Füller von Stipula. Damals eine Neuentwicklung zusammen mit Bock in Heidelberg. Heute hat die Titanfeder einen etablierten, durchaus besonderen, Stellenwert bei den Füllhaltern erworben. Der Stipula T-Flex z. B. ist ein besonderer Halter, letztlich der Nachfolger des bis heute unvergessenen Ventidue.

   
 

Seit Frühjahr 2005 habe ich zwei 22, benannt nach der Ordnungszahl von Titan. Ein wesentliches Merkmal dieser Serie ist die Titanfeder. Inzwischen ist die Serie leider eingestellt, man kann aber manche Modelle noch über verschiedene Quellen im Internet beziehen.

 

Stipula existiert seit 1973, aber erst seit 1991 produziert die Firma aus Florenz mit 25 Mitarbeitern ca. 20.000 Schreibgeräte pro Jahr.

 

Ähnlich wie bei Visconti, auch aus Florenz, werden die Serien öfter geändert, aufgegeben, erneuert, etc. Kritischen Stimmen im Plenum entgegnend, die die „Italiener“ kritisch begutachten, kann man bei Stipula einen sehr hohen Reifungsgrad der Produktion feststellen. Dabei bleibt einem erspart die bei Omas gefürchtete Machart, andererseits bekommt man „mehr fürs Herz“ als bei Aurora.

 

Meine beiden 22 haben eine graue Oberfläche mit verchromten Akzenten bzw. eine cognac-farbene mit vergoldeten Akzenten. Der graue hat eine feine, der braune eine Stub-Feder 1.1 mm. Zudem gibt es Varianten in schwarz, gelb und blau. Neben den üblichen Federn F, M, B, die die erwarteten Schriftbreiten ermöglichen, gibt es noch bei diesem Modell die Varianten Stub 1.1 und 1.3 mm, bei anderen Serien bietet Stipula auch 0.9 mm-Varianten an.

 

Die Federn wurden in Zusammenarbeit mit Bock in Heidelberg entwickelt, dort werden die Titanfedern auch produziert. Während materialmäßig die Titanfedern wesentlich preisgünstiger sind als entsprechende Goldfedern, ist der Fertigungsprozeß nach Angaben von Stipula wesentlich aufwendiger, ein Jahr hat man für den Produktionsprozeß benötigt. Die Punktspitzenbefestigung und das Auswalzen der Federn seien wesentlich schwieriger zu realisieren als bei anderen Federmaterialien. Daher seien letztlich die Titanfedern zusammengenommen so teuer wie die Goldfedervarianten. Und diese Titanfedern kamen beim 22 erstmalig zum Einsatz.

 

Das macht den 22 und somit auch andere Serien mit den Titanfedern für den Connaisseur natürlich sehr interessant. Auf die neuen Serien möchte ich hier nicht weiter eingehen.

 

Der 22 ist ein Kolbenfüllhalter mit einem stabil erscheinenden und einen sehr großen Tintenvorrat ermöglichenden Kunststoff-Füllsystem mit kurzem Hub. Das Lösen des Kolbens geht dabei vermutlich durch Sogeffekte schwer, der Kolbengang ist dann anschließend sehr satt und ruckfrei. Für das Füllen muß Feder und der Griffstückanfang in die Tinte getaucht werden. Die Schraubkappe sitzt fest und exakt, Austrocknungsneigung gibt es nicht, der Clip ist formschön und praxisnah, hat aber keine Fremdfederung. Intarsienartig ist die 22 am Kappenende oberhalb des Clips eingelegt, verchromt oder vergoldet. Der breite untere Kappenring ist ebenfalls verchromt oder vergoldet je nach Modell und schließt das untere Kappenende „mit Metall“ ab. Der entsprechend der Gesamtfarbe leicht getönte Tintenbehälter ist vollständig einzusehen, nach einem schmalen Metallring schließt sich das Kunststoffmaterial an, abgesetzt durch einen weiteren Ring ist der kleine Füllknopf dunkel in der Griffstückfarbe abgesetzt.

 

Und das Material? Es ist ein Material, das Stipula „Cellucride“ nennt. Ein herrliches Kunststoffmaterial, das großartige Farbschattierungen zeigt und Celluloid mehr als ebenbürdig ist. Man sollte es gesehen haben. Genauere Angaben habe ich bisher nicht gefunden, Stipula hält sich bei dem unglaublich attraktiven Material mit Angaben bedeckt.

 

Und die Feder? Durch das nach vorn konisch zulaufende Griffstück wird geschickt kaschiert, daß die Titanfeder recht klein ist. Im Gesamtbild wirkt das dennoch sehr stimmig. Die Feder ist schön geschmückt und besitzt neben dem Stipulaschriftzug und der Angabe Titanio eine vergoldete 22 und 2 vergoldete Blätter. Handling, Gewicht sind sehr angenehm, ob mit oder ohne aufgesteckter Kappe, die einwandfrei hält. Die Federn selbst, die ich probieren konnte, fallen recht unterschiedlich aus. Eine F-Feder setzte bisweilen aus, schreibt ansonsten etwas metallisch, der Tintenfluß ansonsten ist aber recht kräftig. Eine M-Feder setzte nicht aus, der Fluß aber war nur dürftig. Eine Stub-Feder 1.1. mm schwingt butterweich, aber die Federspitzen spreizen, der Tintenfluß erliegt. Also: Es gibt da ohne Zweifel Fertigungsprobleme. Das Gute dabei: Der sehr persönliche und zuvorkommende italienische Service kann das beheben, ich habe nun eine perfekte 1.1 mm Stubfeder, die ihren Namen auch verdient. Der Tintenfluß ist gut, nicht übermäßig und sehr gleichmäßig, die Feder hat etwas Biß, keine wesentliche Elastizität, aber ein gutes „Feeling“. Insgesamt fühlen sich die Titanfedern anders an als andere, man kann es nicht gut beschreiben. Interessant ist ein Probeschreiben allemal. Nachteilig ist, daß letztlich der Service in Florenz sitzt und man daher per Einschreiben am besten den Füller dorthin schickt. Ich weiß nicht, was in Deutschland machbar ist. Eine richtige Vertretung gibt es meines Wissens nicht. Das muß man beachten.

 

Zusammenfassung:

Der Stipula 22 ist ein sehr interessanter Füller, der leider nach etwa vier Jahren ausläuft, aber noch zu bekommen ist. Er ist nicht sehr groß, besitzt mit Titanfeder und Oberflächenmaterial aber Eigenschaften, die deutlich herausstechen. Fertigung des Corpus ist auf sehr hohem Niveau, es gibt da keine Verarbeitungsmängel. Technologisch scheint die Titanfeder jedoch noch nicht ganz beherrscht zu werden. Wenn aber alles stimmt, wird man einen solchen Füller nicht mehr missen wollen, zumal er in Italien damals für 99 Euro + VK angeboten wurde. Ein sehr sehr guter Preis für einen Füller, der die Leistungsfähigkeit der kleinen florentinischen Schreibgeräteschmiede zeigt. Zahlreiche neue Modelle lassen das Beste erhoffen. Wen also die Füllhalter-Langeweile überkommen könnte, der könnte bei Stipula fündig werden, aber Vorsicht: Ein solcher Stipula weckt das Interesse an einem zweiten ...

 

Nachtrag 2012

Zwischenzeitlich hat es sich aber herausgestellt, daß der Kolben sich für die Neufüllung sehr schwer lösen läßt und die Kolbenstange abreißen kann. Dies ist mir bei beiden 22, die ich besitze, passiert. Im Service zwar kostenlose Reparatur, aber deshalb verwende ich meine beiden, und ich bedauere dies, momentan nicht mehr. Sehr, sehr schade.

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Kommentare: 5
  • #1

    SF Xian (Mittwoch, 26 April 2017 11:30)

    Ich hätte gern eine Stipula 22.
    Es wird ein Geburtstagsgeschenk für einen Freund sein.
    Kannst du mir einen verkaufen?
    Ich lebe in Hong Kong. Vielen Danke.

    (bog.lyubovi@gmail.com)

  • #2

    Pens and Freaks (Mittwoch, 26 April 2017 12:38)

    Ich bin kein Händler und verkaufe keine 22.

    M. f. Gr. Thomas

  • #3

    Jan (Dienstag, 24 Oktober 2017 17:12)

    Ich verkaufe gerade einen Stipula Novecento.
    Hier sind die Daten: https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anzeige/-stipula-novecento-edler-fueller-fuellfederhalter-selten-/742464783-281-3276.

  • #4

    MM (Sonntag, 01 April 2018 22:35)

    Hallo, danke für Deinen Beitrag, auch zu den Alternativen Federn der Stipula Marke. Ich habe einen Stipula Da Vinci und habe ähnliche Probleme, wie die, die Du beschrieben hast. Wie hast Du Deine Füller reparieren lassen? Da die italienische Post nicht besonders verlässlich zu sein scheint, wollte ich fragen, wie ich eine andere Feder für meine Füller bekommen kann.

    Danke vorab für die Antwort

  • #5

    Pens and Freaks (Sonntag, 01 April 2018 23:57)

    Hallo MM, ich würde mich an den Hersteller in Italien wenden.

    Thomas