Oktober 2014: "The American Way"

Wer die amerikanische Mentalität kennt, ist nicht überrascht, wenn man das Beste aus den Möglichkeiten machen möchte — statt zu lamentieren. 

 

Zum Lamentieren hätten amerikanische Füllhalter-Freaks ja durchaus guten Grund. Zum einen ist der Füllhalter aus der Alltagswahrnehmung in den USA (wie ja durchaus auch in Europa) fast vollständig verschwunden, zum anderen ist der Absturz der einst so großen amerikanischen Hersteller kolossal. Es läßt sich mit Waterman, Parker und Sheaffer einfach nicht so arg viel verdienen, hat man den Eindruck. In den heutigen Händen haben die einstigen Riesen wenig vorzuweisen. Bei Sheaffer, einst ein Generalist, der alles selber machte, ist unter BIC ein "Patchwork" geworden. Und die Waterman und Parker unter Rubbermaid (Sanford) bringen schon lange nichts mehr wirklich Neues und Kreatives zustande.


Und dennoch gibt es eine große Fangemeinde für den Füllhalter gerade in den USA. Während man in Italien die Freude am Schreibgerät in vielen kreativen (und teils recht jungen) Firmen sieht, hörte man sehr lange nichts Entsprechendes von jenseits des Atlantiks. 


Die ersten Sonnenstrahlen kamen von den Nibmeistern, die sich um neue und verbogene Federn kümmern. Das sind ganz zuvorderst John Mottishaw, Richard Binder und Mike Masuyama. 


Diese bieten über ihre Webseiten schon viele (viele) Jahre ihre Dienste an, vor allem auch bei Neukäufen. 


Die "Go on"-Mentalität zeigt sich nun in der wachsenden Zahl von zum Teil sehr kleinen Firmen, die sich auf ihre spezielle Weise des Füllhalters neu angenommen haben. Bexlex, Edison und Franklin-Christoph sind da besonders zu nennen. Alle benutzen bei durchaus individueller Ausrichtung in Design, Material und letztlich Angebot für den Kunden mehr oder weniger vergleichbare Federn. Ohje, könnte man sagen: alles Jowo-Federn! Aber man benutzt die Aggregate von Jowo und murkst nicht eigene Varianten zusammen wie TWSBI. Und man kontrolliert das Ergebnis vor dem Versand! Brian Gray von Edison schaut sich die JoWo-Tintenaggregate jeweils an und korrigiert ggf. die Justierung. Über Richard Binder liefert er Spezialfedern. Franklin-Christoph bietet über den eigenen Vertriebsweg Federn getunt von Mike Masuyama an, Needlepoints, Italics! Nicht nur, daß die Amerikaner die mehr und mehr nachgefragten Italic--Varianten von Jowo liefern, nein, man bietet Nibmeister-Qualität frei Haus. Man ist dabei so klug und bietet die Federn in Edelstahl und 18-Gold an, um die Preise zu kontrollieren. Jedem das Seine! Da sieht man den amerikanischen Pragmatismus. 

 

Zudem fertigt Edison auch Füllhalter nach Maß, also nach Kundenwunsch in Material und Ausführung. Und er entwickelt klassische Füllsysteme neu. 


Ich darf gestehen, daß mir manche Edison-Jowo-Federn mehr zusagt als eine Hochpreisfeder, die ich zum Teil mehrfach reklamieren mußte und die im Gesamten nicht so ganz überzeugend ist. So will ich es mal freundlich sagen. 


Und so konkurrieren Meisterfedern gemacht aus Allerweltsfedern mit den stolzen Homemade-Federn aus deutscher (aber teils auch japanischer) Produktion. Auch die Japan-Federn aus Standardproduktion sind nicht immer das Wahre (je nach Hersteller). 


Wer also nach einer Nibmeister-Feder oder zumindest einer vor Auslieferung überprüften Federn Ausschau hält, sollte diese Optionen sich einmal näher ansehen. Ich selber habe mehrere Edison, leider keinen Franklin-Christoph und erfreue mich andererseits auch über gut gemachte Bock-Federn in meinen Sheaffer-Legacy-Modellen. Auch viele gute Federn kommen "out of the box" aus Japan. 

 

Ich denke aber, daß diese jungen Amerikaner uns viel Neues zeigen können und zudem mit ihren "Lifetime Guarantees" einen guten Eindruck machen. 


Ehrencodex: Es versteht sich (wie immer) von selbst, daß ich keine (geschäftliche) Verbindung zu diesen Firmen habe oder anstrebe. 


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Kommentare: 5
  • #1

    Marc (Dienstag, 07 Oktober 2014 11:55)

    Puhh... das Franklin Christoph Model 29 Bellus sieht ja auch sehr sehr chic aus. Mit einer 18k Goldfeder für 179 Euro gar nicht so teuer.

  • #2

    pens and freaks (Dienstag, 07 Oktober 2014 12:03)

    + 19 % Einfuhrzoll

    Aber die VK sind schon dabei. Würde mir eine Masuyama-Feder leiste..

    Immer schön langsam ...

    VG Thomas

  • #3

    Marc (Dienstag, 07 Oktober 2014 12:51)

    Ja... langsam ist das Wort, was ich gerade lernen muss :-)

    Im Moment könnte ich täglich kaufen, zügel mich aber immer. Es gibt ja so viele schöne Füller. Unglaublich was man täglich neu entdeckt. Werde mir mal eine Wunschliste zusammenstellen und dann wird die Stück für Stück abgearbeitet.

    Mit den Federn steige ich noch nicht ganz durch. Music Federn, italic Federn, Stub Federn, 0B, ... Das sind für mich noch böhmische Dörfer. Geht es da eher um die Haltung des Füllers oder hat das noch weitere Hintergründe?

  • #4

    pens-and-freaks (Dienstag, 07 Oktober 2014 19:45)

    Hier sind einige Hinweise:
    http://www.pens-and-freaks.com/f%C3%BCllhalter/4b-schr%C3%A4g-breit-usw-11-12/

    Italic = Bandzug
    Stub = knubbeliger, Strichvariation geringer
    (Manche Firmen verwechseln auch die Bezeichnungen, eine TWSBI-Stub ist eine Italic
    "Cursive Italic" = am ehesten von John Mottishaw beprägter Begriff einer moderaten, nicht so an den Kanten scharfen Italic. Man kann damit besser fließend schreiben und hat doch viel Strichvariation
    Oblique-Federn: angeschrägt. Bei manchen Firmen angeschrägte Knubbel wie bei Lamy. Klassisch aber zum Teil stark angeschrägt wie alte Sheaffer, wie alte Parker oder auch Waterman. Lassen sich schräg leichter halten. Das sind heute Linksangeschrägte. Rechtsangeschrägte sind teils für Rechtshändler und für ein anderes kalligraphisches Schriftbild:

    https://www.youtube.com/watch?v=g72eXJ1c3lo&list=UUE6StDcQhZgoJ-HOH05qFdA

    Ich hoffe, das hilft Dir weiter.

    VG Thomas

  • #5

    Joachim (Donnerstag, 07 Januar 2016 19:47)

    Hallo Thomas

    In Deinem guten Beitrag über amerikanische Füller hast Du ein Bild eingestellt. Es zeigt einen Edison Füller in einem schwarzen Etui. Ich bin schon so lange auf der Suche nach einem > 3 Stifte Etui. Neben meinen Tagesbegleitfedern brauche ich auch immer Bleistift und Vierfarbstift ( Lamy, also nicht wirklich schmal ) . Ich habe in Deutschland bestenfalls Etuis für 3 Stifte gefunden. Hast Du einen Tipp?
    Mit herzlichem Dank und liebem Gruß
    Joachim